Revolution im Miniaturformat

Smartlet-Mikroroboter kommunizieren und kooperieren erstmals autonom

3D-modularer Mikroroboter – genannt Smartlet – auf einer Fingerspitze.
3D-modularer Mikroroboter – genannt Smartlet – auf einer Fingerspitze.

Modular, autonom, kommunikativ: Mikroroboter der neuen Generation koordinieren sich selbstständig – ein Meilenstein der Mikrorobotik mit riesigem Potenzial für Medizin, Umwelttechnik und adaptive Robotersysteme.

Einem Team des Forschungszentrums für Materialien, Architekturen und Integration von Nanomembranen (MAIN) der Technischen Universität Chemnitz ist ein entscheidender Schritt hin zu intelligenten Mikrorobotersystemen gelungen: Die Forscher haben eine neue Generation autonomer Mikroroboter entwickelt – sogenannte Smartlets –, die in wässrigen Umgebungen kommunizieren, agieren und zusammenarbeiten können.

Diese Smartlet-Mikroroboter, jeder nur einen Millimeter groß, sind mit integrierter Elektronik, Sensoren, Aktoren und Energiesystemen ausgestattet. Sie sind in der Lage, optische Signale zu empfangen und zu senden, auf Reize mit Bewegungen zu reagieren und Informationen mit anderen Mikrorobotern in ihrer Umgebung auszutauschen. Im Gegensatz zu früheren Generationen von Mikrorobotern, die auf viel größere drahtlose Steuerungssysteme angewiesen waren, um die eingeschränkte Funktionalität an Bord auszugleichen, werden Smartlet-Mikroroboter durch integrierte Photovoltaikzellen mit Strom versorgt, von winzigen Mikrochips gesteuert und sind durch eingebettete Mikro-LEDs und Fotodioden zur optischen Kommunikation fähig.

„Zum ersten Mal demonstrieren wir eine in sich geschlossene Mikrorobotereinheit, die nicht nur auf Reize reagiert und sich fortbewegt, sondern auch mit anderen Mikrorobotern auf programmierbare und autonome Weise interagiert”, erklärt Prof. Dr. Oliver G. Schmidt, einer der verantwortlichen Autoren der Studie und wissenschaftlicher Direktor des Forschungszentrums MAIN.

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Origami für Mikroroboter

Schematische Darstellung des Herstellungsablaufs der Smartlets.
Schematische Darstellung des Herstellungsablaufs der Smartlets.

Die neuartigen Mikroroboter werden nach einem flexiblen Origami-inspirierten Ansatz hergestellt, der auf multi-funktionalen, mehrschichtig strukturierten Materialien basiert. Durch diesen Ansatz kann sich das zunächst flache, in der Ebene auf einer Waver-Oberfläche hergestellte elektronische System von selbst zu einem winzigen hohlen 3D-Würfel zusammenfalten, der sowohl über interne als auch externe Funktionen verfügt.

Durch das Origami-Falten entsteht zusätzlicher Platz, der benötigt wird, damit jeder Würfel neben den interagierenden Außenflächen und der eigenen Fortbewegung auch einen eigenen Solarenergie-Harvester, eine Rechenlogik und ein optisches Signalsystem mitführen kann. Im Wasser können sich diese Smartlets durch Auftriebskräfte, die von Blasen erzeugenden Motoren erzeugt werden, die das hohle Innere des Smartlets mit Gas füllen, auf und ab bewegen. Sie können auch optische Signale aussenden, um Anweisungen an andere Smartlets in der Nähe zu übertragen.

Smartlets ermöglichen Multi-Roboter-Interaktionen im Wasser, einschließlich stimulierter Bewegung, Synchronisation und Koordination zwischen mehreren Smartlets. Wenn ein Smartlet ein Lichtsignal empfängt, kann es die Informationen mit seinem integrierten Prozessor decodieren und so eine koordinierte Bewegung oder ein koordiniertes Verhalten bei anderen auslösen. „Die Idee, Licht sowohl als Energie als auch als Information zu nutzen, eröffnet eine kompakte und skalierbare Möglichkeit, verteilte Robotersysteme zu schaffen“, fügt Dr. Vineeth Bandari, Mitautor und Forschungsgruppenleiter bei MAIN, hinzu.

Eine der wichtigsten Innovationen besteht darin, dass die Smartlets eine „drahtlose Kommunikationsschleife“ verwenden, für die keine externen Kameras, Magnete oder Antennen erforderlich sind. Optische Nachrichten werden lokal auf jedem Mikroroboter mithilfe einer speziell programmierten Logik interpretiert, die auf ihren Mikrochips gespeichert ist. Die Smartlets nutzen eine innovative Soft-Bonding-Technik, um maßgeschneiderte mikroskopisch kleine Silizium-Chiplets, sogenannte Lablets, zu integrieren. Dies ermöglicht eine dezentrale Steuerung und Zusammenarbeit von Smartlets – eine wesentliche Grundlage für die Schaffung von Roboter-Kollektiven, die sich koordiniert und dennoch flexibel verhalten.

Anwendungen für die speziellen Smartlets

Die Anwendungsmöglichkeiten solcher Mikroroboter sind vielfältig. Da sie kabellos, biokompatibel und in der Lage sind, auf Umwelteinflüsse zu reagieren, könnten Smartlets eines Tages bei Aufgaben wie der Überwachung der Wasserqualität, der Durchführung minimalinvasiver medizinischer Diagnosen oder der Untersuchung begrenzter biologischer Umgebungen helfen. Ihre Fähigkeit, interaktive, auf Reize reagierende Kolonien zu bilden, könnte auch in der Soft-Robotik, in autonomen Inspektionssystemen oder in verteilten Sensornetzwerken genutzt werden.

Dr. Yeji Lee, Mitautorin und Spezialistin für Materialien und Mikroherstellungsverfahren, deren kürzlich abgeschlossene Doktorarbeit wichtige Beiträge zu dieser Thematik beigetragen hat, betont, dass diese Arbeit erst der Anfang ist. „Wir erforschen Möglichkeiten, die Autonomie durch Hinzufügen chemischer und akustischer Sensormodule weiter auszubauen. Die Smartlets könnten sich zu multifunktionalen Plattformen entwickeln, die ihre Umgebungen wahrnehmen, entsprechend handeln und sich anpassen.“

Blick in die Zukunft

Mit Blick in die Zukunft stellt sich das Forschungsteam vor, dass sich die Smartlets schrittweise zu dynamischen Systemen entwickeln, die Kolonien digitaler Organismen ähneln. Ähnlich wie Zooide in kolonialen Organismen wie Siphonophoren könnte jedes Smartlet eine spezialisierte Funktion übernehmen – Wahrnehmung, Kommunikation, Bewegung – und zusammen ein kollektives robotisches Organismus-System bilden.

„Wir sind zwar noch weit davon entfernt, künstliches Leben zu schaffen“, dämpft Prof. McCaskill, Gründungsdirektor des European Center for Living Technology in Venedig, die Erwartungen, „aber wir beginnen zu erkennen, wie verteilte Intelligenz und modulare Hardware Systeme hervorbringen können, die die adaptiven, kommunikativen Verhaltensweisen lebender Kollektive widerspiegeln.“

Mit dem Bau solcher in sich geschlossener, kommunikativer Mikroroboter adressiert das Chemnitzer Team nicht nur grundlegende Herausforderungen der Mikrorobotik, sondern schafft auch die Grundlage für zukünftige Systeme, die in der Lage sein werden, selbstständig zu handeln, sich weiterzuentwickeln und sich in größeren Verbünden vielleicht sogar selbst zu organisieren.

(Quelle: TU Chemnitz)

FAQ: Smartlet-Mikroroboter der TU Chemnitz

1. Wie groß sind die Smartlet-Mikroroboter und woraus bestehen sie?
Die Smartlets sind nur etwa einen Millimeter groß und bestehen aus mehrschichtig strukturierten, flexiblen Materialien. Sie integrieren Elektronik, Sensoren, Aktoren und eine photovoltaische Energieversorgung in einem selbstfaltenden Origami-inspirierten 3D-Würfel.

2. Wie bewegen sich die Smartlets in ihrer Umgebung?
Die Bewegung erfolgt in wässrigen Medien durch den Einsatz gasgefüllter Hohlräume im Inneren. Spezielle Mikromotoren erzeugen Auftriebskräfte, die die Smartlets auf- und absteigen lassen. Die Bewegungsrichtung kann durch koordinierte Lichtsignale beeinflusst werden.

3. Wie kommunizieren die Mikroroboter untereinander?
Die Kommunikation basiert vollständig auf optischen Signalen. Eingebaute Mikro-LEDs und Fotodioden ermöglichen den Austausch von Lichtimpulsen, die von integrierten Prozessoren entschlüsselt und in Aktionen übersetzt werden – ganz ohne externe Kameras oder Steuergeräte.

4. Welche Innovation steckt hinter der Steuerung der Smartlets?
Kernstück der Steuerung sind sogenannte „Lablets“ – mikroskopisch kleine Silizium-Chiplets, die mit einer Soft-Bonding-Technik direkt in die Struktur eingebettet sind. Sie ermöglichen eine dezentrale Logikverarbeitung und damit die autonome Reaktion und Koordination der Smartlets im Kollektiv.

5. Für welche Anwendungen könnten Smartlets in Zukunft eingesetzt werden?
Potenzielle Einsatzgebiete sind die Überwachung der Wasserqualität, minimalinvasive medizinische Diagnostik, autonome Inspektionssysteme in schwer zugänglichen Bereichen sowie adaptive Sensorik in Industrie- und Umwelttechnik. Die Vision reicht bis hin zu robotischen Kolonien mit verteilter Intelligenz.