Robotics Out Of The Box
Wie auch Laien Roboter programmieren können
Roboter-Programmierung ist komplex und etwa für Handwerksbetriebe alleine kaum zu bewältigen. Wie ein Kieler Forschungsprojekt das ändern will, erläutert Prof. Bernd Finkemeyer im Interview mit "Kollege Roboter":
Im Projekt “Robotics Out Of The Box” soll es Laien etwa in kleineren Betrieben ermöglicht werden, Roboter zu programmieren. Was war die Triebfeder dafür?
Finkemeyer: Wir sind Teil des Mittelstand-Digital Zentrum Schleswig-Holstein und führen sehr viele Gespräche mit Mittelständlern. Viele beklagen eine Lücke: Sie erkennen, da ist Automatisierungspotential. Aber der Einsatz von Automatisierungstechnik ist für mittelständische Unternehmen häufig noch sehr aufwändig. Die Anwender:innen begeben sich sehr schnell in eine Abhängigkeit von Dritten. Wir wollen mit Robotics Out Of The Box diese Abhängigkeit reduzieren. Robotik wird auch für kleinere Betriebe interessant, wenn man nicht für jede kleine Änderung gleich einen Dienstleister beauftragen muss.
Wie soll das konkret funktionieren?
Wir wollen davon wegkommen, dass Anwender:innen dem "Kollegen Roboter" sagen müssen, wie er etwas im Detail machen muss. Stattdessen sollen sie ihm mitteilen, was er insgesamt machen soll - das Ganze also auf eine höhere Abstraktionsebene bringen.
Wie kann man sich das etwa im Handwerk praktisch vorstellen?
Finkemeyer: Die Idee ist, dass man eine Vielzahl von einzelnen kleinen Fähigkeiten für einen Roboter hinterlegt - ganz ähnlich wie bei Auszubildenden im Handwerk. Auch die lernen, wie man Bretter hobelt oder ein Werkstück markiert und viele andere Tätigkeiten. Dementsprechend bringen wir, die Expert:innen, dem Roboter diese vielen einzelnen Fähigkeiten bei. Die Anwender:innen können anschließend diese Fähigkeiten abrufen und in eine Reihenfolge bringen, die zu ihrem individuellen Produktionsprozess passt.
Die einzelnen Bausteine müssen aber noch richtig platziert werden, es reicht nicht, einen Ausgangs- und Endzustand zu definieren?
Finkemeyer: Ja, das stimmt. Diese Programmierung ist dort angesiedelt, wo klassischerweise in einem Unternehmen die Arbeitsvorbereitung sitzt. Dort wird ebenfalls festgelegt, welche Arbeitsschritte in welcher Reihenfolge notwendig sind.
Wir arbeiten bei Robotics Out Of The Box neben unserem Projektpartner, der macio GmbH, auch mit einem Pilotkunden zusammen, der Firma Buchholz Hydraulik GmbH und kooperieren dort ganz konkret mit der Arbeitsvorbereitung. Mitarbeitende mit dem Qualifikationsniveau für die Arbeitsvorbereitung sollen in Zukunft mit unserem System die Roboterprogrammierung vornehmen können.
Warum das Hand-Teaching nur ein Teil der Lösung ist
Viele Roboterhersteller bieten mittlerweile ja das Konzept des Hand-Teachings an. Macht das Ihren Ansatz nicht überflüssig?
Finkemeyer: Nein, ganz und gar nicht. Wenn ich beim Teaching einen Punkt mit der Hand anfahre, ist die Logik dahinter - zu welchem Zweck ich den Punkt anfahre - ja noch nicht beantwortet. Tatsächlich haben wir die Handführung aber auch in unseren Ansatz integriert.
Wie sieht das aus?
Finkemeyer: Bei uns kommt das Hand-Teaching zu einem späteren Zeitpunkt. Wir sagen: Die Ablauflogik macht die Arbeitsvorbereitung, damit ist die Programmierung fertig. Dann geht es in die Arbeitszelle hinein und dort muss bei der Inbetriebnahme dann noch einmal Feinarbeit geleistet werden und das geht mit Funktionen wie der Handführung sehr gut.
Bei Roboterprogrammierung Mensch in den Mittelpunkt stellen
Sie setzen in dem Projekt Aktionen in kombinierbare und wiederverwendbare “Bausteine” um. Sind viele Aktionen nicht zu sehr domänen- oder anwendungsspezifisch und dadurch nicht universell nutzbar?
Finkemeyer: Es gibt natürlich Fähigkeiten, die stark domänenspezifisch sind. Wir hängen unsere Bausteine ja sehr stark an das zu manipulierende Objekt wie etwa eine Schraube. Die Logik dahinter ist: Was kann der Roboter alles mit einer Schraube machen?
Die Punkte Übertragbarkeit und Wiederverwendbarkeit sind in der Tat noch mit einigem Forschungsaufwand verbunden. Wir müssen herausfinden, wie groß oder klein diese Fähigkeiten umrissen sein müssen, damit der Baustein möglichst allgemein nutzbar ist. Da sind wir noch am Experimentieren, um die passende Granularität herauszufinden.
Ziel des Projektes ist ja, mit dem Kollegen Roboter genauso zu interagieren wie mit menschlichen Kolleg:innen. Heißt das nicht auch, dass man von einer grafischen zu einer sprachbasierten Programmierung kommen muss?
Finkemeyer: Wir haben auch schon mit Spracheingaben experimentiert. Deren Mehrwert ist aber noch nicht deutlich geworden. Für uns ist im Vergleich zu anderen Projekten eines ganz entscheidend: Wir stellen die Nutzer:innen wirklich in den Mittelpunkt. Wir reden mit den Arbeitsvorbereitenden: Was wollt ihr machen und wie wollt ihr es machen? Welche Technologien wir dann zur Umsetzung darunterlegen, das entscheiden wir erst im zweiten Schritt.
Wenn uns beispielsweise ein Nutzer sagt, es wäre toll, wenn ich hier nur ein Sprachkommando abgeben könnte, dann bauen wir das Sprachkommando ein. Nicht weil wir sagen, die Technik ist so weit, sondern weil der Anwender darin einen Vorteil sieht. Aus diesem Grund arbeiten wir auch mit der Firma macio zusammen, einem Spezialisten für Software und User Interface Design, der seit über 20 Jahren Bediensoftware entwickelt und daher sehr genau weiß, wie Nutzer:innen sinnvoll in die Entwicklung eingebunden werden.
Es wird in jedem Fall eine multimodale Interaktion mit den Nutzer:innen geben. Das wird von der grafischen Eingabe über Gesten und Sprache bis hin zu Augmented Reality reichen.
Warum der Fachkräftemangel ein starker Motivator ist
Wie sieht ein Augmented-Reality-Szenario in diesem Kontext aus?
Finkemyer: Man möchte in der Entwicklung nicht immer gleich das echte Roboterprogramm abfahren, um etwa zu testen. Stattdessen wird man Entwicklungsschritte in einer Augmented-Reality-Simulation überprüfen können.
Wie ist denn - nach knapp der Hälfte der Projektlaufzeit - ihre Halbzeitbilanz?
Finkemeyer: Wir haben jetzt einen ersten Prototyp fertig und sehen einen Weg zu dem erhofften Ergebnis - aber wir sehen auch, dass darauf noch eine Menge Steine liegen. Die Firma Buchholz sagt, sie ist mit den Ergebnissen bisher sehr zufrieden und kann es kaum abwarten, dass die Lösung vollständig verfügbar ist.
...wann rechnen Sie denn damit, dass Robotics Out Of The Box als Produkt zur Roboterprogrammierung allgemein zur Verfügung steht?
Finkemeyer: Der Fachkräftemangel kommt rasant auf uns zu, ab 2030 wird das richtig gravierend. Das ist ein starker Motivator für uns. Ich gehe davon aus, dass es keine fünf Jahre mehr dauern wird.