
KI kommt in der Industrie schon lange zum Einsatz, etwa für die Mustererkennung bei Machine Vision oder für die Predictive Maintenance. Mit den Large Language Models wie ChatGPT hat KI aber auch in der Industrie den Sprung von analytischen zu generativen Anwendungen geschafft. (Bild: Stock.Adobe.com - Patrick Helmholz)
KI schreibt die Arbeitspläne

Arbeitspläne sind in der Produktion und insbesondere im Maschinenbau sehr wichtig. In ihnen sind alle Arbeitsschritte zur Herstellung eines Produktes aufgelistet. Ihre Erstellung ist sehr komplex und zeitaufwendig. Sie erfordert nicht nur technisches Wissen, sondern auch die Berücksichtigung von Produktionskapazitäten wie Personal und verfügbare Anlagen sowie Fertigungstechnologien. Die Fachhochschule Kiel und Thyssenkrupp Marine Systems arbeiten in dem Projekt "OfferAI" an einer teilautomatisierten Erstellung von Arbeitsplänen für U-Boote.
Für einen U-Boot-Prototypen werden bis zu 80.000 Pläne erstellt und zahlreiche Arbeitskapazitäten gebunden. Das Einspar- und Entlastungspotenzial ist daher enorm, wie Dr. Dirk Steinbrink, Chief Operating Officer von thyssenkrupp Marine Systems, betont: „Der Arbeitsplanassistent birgt ein gutes Potenzial und kann uns in Zukunft einen Teil der Arbeit abnehmen. Neben der sinnvollen Ergänzung für unser Personal und die Produktionsplanung erhoffen wir uns auch eine Verbesserung der Datenqualität durch die Vorbefüllung der Arbeitspläne“.
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KI konstruiert im Akkord

Was braucht es für einen erfolgreichen Konstrukteur? Für Keith Brown, Professor für Maschinenbau an der Boston University, lautet die Antwort: einen 3D-Drucker, einen Roboterarm, eine Waage und natürlich künstliche Intelligenz. Aus diesen Zutaten hat er eine vollautomatische Entwicklungs- und Testumgebung geschaffen, die nun einen rekordverdächtig effizienten Stoßdämpfer hervorgebracht hat.
Mama Bear heißt das System, kurz für "Mechanics of Additively Manufactured Architectures Bayesian Experimental Autonomous Researcher". Mama Bear druckt kleine Test-Strukturen, erfasst dann Werte wie das Gewicht der Struktur und platziert sie in einem Hydraulikstempel, wo sie zerdrückt und die Energieabsorption gemessen wird. Anschließend wird das Design leicht verändert und der Prozess beginnt von vorne - rund um die Uhr.
In drei Jahren gab es mehr als 25.000 dieser Durchläufe - und die haben schließlich zu einem Durchbruch geführt. Eine von Mama Bear gefundene Form erzielte eine Effizienz bei der Energieabsorption von 75 %, ein neuer Rekord.
KI findet Lecks in Druckluftanlagen

Leckagen in Druckluftanlagen verursachen hohe Kosten, doch die Suche nach den Lecks ist aufwändig. Fraunhofer IPA, Uni Stuttgart und Sick haben eine KI-basierte Detektion entwickelt. Hierbei wird ein Durchflusssensor an der Druckluftzuleitung einer Maschine angeschlossen, der laufend Massenstrom, Druck- und Temperaturverlauf erfasst. Ein intelligenter Algorithmus analysiert diese Kurvenverläufe in Echtzeit und erkennt charakteristische Signaturen, die auf Leckagen hinweisen.
Die Besonderheit der Lösung: Vortrainierte Algorithmen machen teure Testläufe in der realen Fertigung überflüssig, denn in einem überwachten maschinellen Lernverfahren haben die Forschenden den Algorithmus bereits unter realen Bedingungen trainiert. "Der Energieverlust könnte mit einer durchgehenden automatisierten Detektion von Leckagen um durchschnittlich etwa zehn Prozentpunkte gesenkt werden", sagt Daniel Umgelter, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung Industrielle Energiesysteme am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA in Stuttgart.
KI kann besser isolieren

Aktuell wird vor der Isolierung von Rohrleitungen in Industrieanlagen ein händisches Aufmaß vollzogen, um anschließend eine passgenaue Dämmung zu fertigen. Dieses Vorgehen ist jedoch fehleranfällig und zeitaufwändig. Hier setzt ein Forschungsprojekt der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt (THWS) an. Bei dem dort entwickelte Mess-System „isodot“ eine Kamera und ein Entfernungsmesser kombiniert. In der Anlage wird der gewünschte Bereich durch mehrere Bilder erfasst, die zu einem Panorama zusammengefügt werden. Das Panoramabild wird anschließend vollautomatisch mithilfe künstlicher Intelligenz ausgewertet.
Die KI wurde darauf trainiert, Rohre und sonstige Bauteile einer Rohrleitung in Bildern zu identifizieren. Die Software „weiß“ dadurch, wo sich zu vermessende Rohre befinden und kann mithilfe des Laserdistanzmessers die Zielobjekte millimetergenau anvisieren. Auf diese Weise können bei der Isolierung relevante Informationen digital und automatisiert bereitgestellt und ein Entwurf für die Dämmung final an die Fertigungsmaschinen übertragen werden. Auf diese Weise ergibt sich ein vollständig digitaler Arbeitsablauf, welcher die Kosteneffizienz und damit auch die Akzeptanz und Umsetzung solcher Dämmmaßnahmen steigert.
KI hilft kleinen Robotern bei der Navigation

Winzige Roboter mit einem Gewicht von einigen Dutzend bis einigen hundert Gramm haben das Potenzial für interessante Anwendungen in der realen Welt. Durch ihr geringes Gewicht sind sie extrem sicher, selbst wenn sie versehentlich mit jemandem zusammenstoßen. Da sie klein sind, können sie auch in engen Bereichen navigieren. Es ist jedoch schwierig, solche winzigen Roboter autonom zu betreiben, da sie im Vergleich zu größeren Systemen nur über äußerst begrenzte Ressourcen verfügen. Navigation via GPS oder durch Lidar-Sensoren scheidet also aus.
Stattdessen haben sich Forschende an der TU Delft in den Niederlanden davon inspirieren lassen, wie Ameisen sicher nach Hause finden. Die Insekten kombinieren die Verfolgung ihrer eigenen Bewegung durch Zählen ihrer Schritte mit gelegentlichen visuellen "Schnappschüssen" ihrer Umgebung. Diese Strategie ermöglichte es einer 56 Gramm schweren "CrazyFlie"-Drohne, die mit einer Rundumkamera ausgestattet ist, Entfernungen von bis zu 100 Metern mit nur 0,65 Kilobyte Speicherbedarf zurückzulegen. Die gesamte visuelle Verarbeitung erfolgte auf einem einfachen Mikrocontroller, der in vielen billigen elektronischen Geräten zu finden ist.
KI hört, ob die Schweißnaht passt

Beim Bau einer Brücke werden Bolzen auf Stahlträger geschweißt und anschließend einbetoniert, um die Kräfte vom Stahl auf den Beton zu übertragen. Ein fehlerhaft geschweißter Bolzen kann fatale Folgen haben. Bisher wurden solche Bolzenschweißverbindungen nur stichprobenartig auf Sicht oder mit Röntgen- und Ultraschallverfahren geprüft. Diese Art der Qualitätsprüfung ist zeit- und ressourcenintensiv und bietet keine hundertprozentige Sicherheit bei der Fehlererkennung.
Im Projekt QualiBolS soll nun ein kompakter und leichter Akustikadapter entwickelt werden, der direkt auf die Bolzenschweißpistole montiert wird. In diesem Adapter ist ein kleines chipbasiertes Mikrofon integriert, mit dem die Schweißgeräusche erstmals inline, also während des Schweißprozesses, aufgenommen werden. Die Qualität der Schweißnaht kann anhand der Geräusche während des kurzen Schweißvorgangs beurteilt werden. Dies verspricht nicht nur erhebliche Zeit- und Kosteneinsparungen bei der Qualitätsprüfung, sondern erhöht auch die Sicherheit von Bauwerken.
KI denkt Verbundmaterial vom Ende her

Bei der Entwicklung neuer Verbundwerkstoffe stehen die Ingenieure der Materialwissenschaften vor einem grundlegenden Problem: Wenn sie ein Material so konstruieren, dass es bei Belastungen in einer Richtung stark ist, kann es bei Belastungen aus einer anderen Richtung zu strukturellen Schwächen kommen. Um diesen Effekt zu vermeiden, arbeiten Forschende der Bingham University in den USA an der Entwicklung eines Deep-Learning-Modells, das auf den Prinzipien physikalischer Gesetze beruht und die Mikroarchitektur von Verbundwerkstoffen anpassen kann.
Auf dieser Grundlage soll eine KI dann basierende auf Belastungsvorgaben für mehrere Richtungen quasi vom Ende her ein Material entwickeln, das diesen Vorgaben entspricht. Das Team in Binghamton ist der Ansicht, dass diese Forschung im Bereich des maschinellen Lernens das Materialdesign revolutionieren und die rasche Entwicklung neuer Materialien mit maßgeschneiderten Eigenschaften für eine breite Palette von Anwendungen ermöglichen könnte, z. B. für die Entwicklung leichterer Strukturen, effektiver Stoßdämpfer und Komponenten für die Luft- und Raumfahrt.
Der Autor: Peter Koller

Gelernter Politik-Journalist, heute News-Junkie, Robotik-Afficionado und Nerd-Versteher. Chefredakteur des Automatisierungsmagazins Automation NEXT. Peter Koller liebt den Technik-Journalismus, weil es das einzige Themengebiet ist, wo wirklich ständig neue Dinge passieren. Treibstoff: Milchschaum mit Koffein.