Schaltschrankserie,

Die neuen Schaltschrankserien AX/KX sind in unterschiedlichen Baugrößen erhältlich und soll mittelfristig unter anderem die Vorgänger der AE-Reihe ablösen. (Bild: Rittal)

Die Idee, mit der Rittal vor vielen, vielen Jahren seinen großen Erfolg begründete, war es, ein standardisiertes Gehäuse für Industriezwecke anzubieten, das qualitativ hochwertig ab Lager lieferbar ist. Das ist bis heute so, und auch das Produkt wurde über die Jahre weitestgehend beibehalten. Natürlich, die Produktpalette wurde größer und breiter, die Bauweise graduell verbessert.

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Die Befestigung an der Wand wurde bei den neuen Schränken vereinfacht. Die Wandbefestigungswinkel sind separat, sodass sie beim Transport nicht stören, können aber leicht von außen montiert werden. (Bild: Rittal)

Das anfängliche Hammerschlag-Grau ist einem helleren Lichtgrau gewichen, und am Ende muss man feststellen, dass die Serien der kompakten Schaltschränke und Klemmenkästen nun seit fast 60 Jahren auf dem Markt ist.

Erfolgreich, kann man sagen. Die Zahl der verkauften Schränke geht in die Millionen, laut Rittal ist der Kompaktschrank AE das am häufigsten eingesetzte Gehäusesystem der Welt. Für den Hersteller ist es auf jeden Fall ein Bestseller in allen Branchen. Und der soll nun neu aufgelegt werden, ein Relaunch, wie es neudeutsch heißt. Das Portfolio, das überarbeitet wurde, ist das der Kleingehäuse und Kompaktschränke, also Klemmenkästen, Elektronikboxen und Busgehäuse.

Befestigungssystem,
Ein modulares und flexibles Befestigungssystem ermöglicht es, Geräte und Anbauteile in den Schränken zu montieren, ohne den Korpus anbohren zu müssen. Da heute auch oft die Flächen an den Seitenteilen für die Montage genutzt werden, lässt sich das System auch seitlich anbringen. (Bild: Rittal)

Die Kompaktschränke der AE- sowie die der etwas größeren CM-Baureihe werden in der neuen AX-Baureihe zusammengefasst, das Portfolio der Kleingehäuse KL findet seine Nachfolger in der KX-Serie. Ein Ziel der Neuentwicklung war es, das Zubehör des neuen VX-Großschranksystems auch bei den kleineren Gehäusen und Schränken nutzen zu können. Dadurch wird die Komplexität in der Produktauswahl reduziert. Allerdings stellt sich schon die Frage: Was kann an einem quaderförmigen Stahlblechkasten denn noch verbessert werden?

Davor könnte man auch fragen: Braucht es heute, in Zeiten stetiger Dezentralisierung, Digitalisierung und Miniaturisierung überhaupt noch so viele Schaltschränke und Klemmenkästen? „Natürlich werden die eingebauten Geräte kleiner. Aber die Anzahl der Geräte steigt. Wo vor 20 Jahren gerade mal ein Schalter war, findet sich heute zusätzlich ein Frequenzumrichter – der allerdings nur noch so groß ist wie der Schalter früher.“ Deswegen könne man in Summe sagen, dass der Bedarf an Schaltschränken sowie das Größenverhältnis über die Jahre fast gleichgeblieben ist. „Was sich aber verändert hat, ist der Umgang mit dem Thema Produktivität und Effizienz in Werkstätten. Und genau auf diesen Punkt haben wir mit unserer neuen Gehäusebaureihe AX/KX reagiert“, so Schell.

Für die neuen Schränke ist eine Kombi-Flanschplatte erhältlich, die das parallele Einführen mehrerer Leitungen mit und ohne festem Stecker in hoher Schutzart ermöglicht.
Für die neuen Schränke ist eine Kombi-Flanschplatte erhältlich, die das parallele Einführen mehrerer Leitungen mit und ohne festem Stecker in hoher Schutzart ermöglicht. (Bild: Rittal)

 

Die Verbesserungen, die dabei entstanden sind, scheinen klein, sind aber sehr effektiv. „Wir haben uns die Werkstätten intensiv angeschaut und dabei festgestellt, dass ein wesentlicher Schritt beim Aufbau einer Schaltanlage ist, die Türe abzunehmen, um sie weiterzuverarbeiten oder damit sie bei der sonstigen Montage nicht im Weg ist.“ Entsprechend werden bei den neuen Kleingehäusen die Türen separat geliefert.

Eine lose beiliegende Tür ist natürlich nicht die einzige Innovation. Es sind viele Kleinigkeiten, die das Leben der Schaltschrankbauer und Endnutzer leichter machen. Das fängt bei der Wandaufhängung an, denn die meisten der kompakten Kästen werden aufgehängt. Für die Wandbefestigungswinkel musste bisher in den Ecken eine Schraube von innen durchgesteckt und außen fixiert werden. Aufwendig. Zum Teil waren die Winkel vormontiert, wodurch die herausstehenden Laschen beim Transport Probleme machten. Am neuen Modell lassen sich die Winkel einfach nachträglich von außen anbringen.

Eine weitere kleine, aber wichtige Änderung: Es gibt eine neue Türdichtung. Michael Schell: „Wir dichten jetzt nicht mehr auf eine scharfe Kante, sondern auf eine flache Ebene, was die Schlagfestigkeit und damit die Dauerhaltbarkeit deutlich erhöht. Bei so einem Schrank ein deutlicher Vorteil.“

AX/KX-Serien: Intelligenter Innenausbau

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Um den Anforderungen an individuelle Durchbrüche oder Anbauteile gerecht zu werden, stehen umfangreiche digitale Planungstools zur Verfügung. (Bild: Rittal)

Auch im Inneren der Schränke geht es heute anders zu. Der Platz wird mehr und mehr ausgenutzt. Immer mehr Sensoren und Aktoren wollen angebunden werden, zusätzliche IOs, Steuerungen und Kommunikationsmodule sind die Folge. Immer öfter werden auch die seitlichen Ebenen oder der Dachbereich für die Montage von Komponenten genutzt. „Das hat man auch früher gemacht“, betont der Produktmanager, „aber da wurde ein Loch durch die Wand gebohrt, es wurden Schrauben gesetzt, das sah alles nicht schön aus, von Problemen beim Korrosionsschutz zu schweigen.“

Für die neuen AX/KX-Serien gibt es daher nun ein Innenausbausystem, mit dem sich auch in den Kleingehäusen die Seitenflächen einfach nutzen lassen. Damit beim Transport nichts passiert, gibt es extra Prägungen, mit denen die Schienen gehalten werden.

Mehr Sensoren und Aktoren im Umfeld des Schrankes bedeutet meist auch mehr Kabeldurchführungen. „Wir stellen fest, dass die Anzahl der Leitungen, die in so eine Schaltanlage eingeführt werden, steigt. Deswegen haben wir uns bei diesem Kleingehäuse dafür entschieden, dem Kabelanschlussbereich möglichst viel Fläche zu bieten“, zeigt Schell auf. Neben der serienmäßigen Stahlblechplatte oder einer Membranplatte gibt es jetzt auch eine Kombi-Flanschplatte, in der man bei hoher Schutzart sowohl steckerfertige Leitungen, als auch andere Kabel parallel einführen kann, ohne ein separates Modul setzen zu müssen.

AX/KX-Serie mit allen Zulassungen

Die neue Baureihe, die ab Juli 2019 ab Lager lieferbar sein wird, wird dies auch weltweit sein. Sprich, alle nötigen Approbationen und Zertifikate, etwa für Nordamerika oder für den Bereich Schiffbau, liegen vor, sodass einem globalen Einsatz der Schränke nichts im Wege steht. „Die neuen Gehäuse der AX/KX-Serien haben von Beginn an all die Zulassungen, die auch die Vorgänger schon hatten“, betont Michael Schell.

Ein weiteres Merkmal, das mancher Kunde vielleicht schon von der kürzlich vorgestellten VX-Serie kennt, ist der QR-Code. Jedes Flachteil hat einen eigenen QR-Code, der nicht nur Informationen zum spezifischen Modell und zur Baureihe abrufbar macht, sondern der auch eine eindeutige, teilespezifische Nummer beinhaltet. Der Kunde kann das nutzen, indem er den Schrank beim Wareneingang scannt und diese Nummer dann einem Projekt zuweist. Wenn er den Schrank nach der Lieferung dann für die Montage zerlegt, um die Einzelteile separat zu bearbeiten, kann er die Einzelteile jederzeit nachverfolgen. Mittels QR-Code können die richtigen Teile überwacht und am Ende wieder passend zusammengefügt werden.

Zusätzlich lassen sich über den Code natürlich auch generelle Produktinformationen auf dem Rittal-Portal oder über passende Apps finden. Neben generellen Informationen finden sich dort weitere Unterlagen, Approbation, Anleitungen, Daten, auch die CAD-Daten kann der Kunde auf diesem Weg erreichen.

Damit schließt sich der Kreis zu Bestellung und Herstellung der neuen Schaltschränke, die ganz im Sinne von Industrie 4.0 organisiert ist. Denn so analog der Schrank an sich sein mag, so digital ist sein Konfigurations- und Fertigungsprozess. „Früher haben wir über einen Katalog mit ein paar Zeichnungen und Tabellen gesprochen“, erinnert sich Michael Schell. „Heute werden viel mehr digitale Informationen benötigt, die der Kunde in einer hohen Datenqualität im Internet abrufen kann. Alle CAD-Daten bieten wir online in fast 70 unterschiedlichen Datenformaten an.“

Wenn ein Kunde nun seine Order aufgibt, wird die Bestellung voll digitalisiert abgewickelt. Die automatisierte Bedarfsplanung des Logistikzentrums stellt sicher, das immer ausreichend Produkte im Lager verfügbar sind. Möglich macht dies eine digitalisierte und flexible Fertigung, die die neuen AX/KX-Serien bedarfsgerecht nach Industrie-4.0-Prinzipien herstellt.

Im Gespräch mit Michael Schell, Rittal

Michael Schell,
Michael Schell, hier vor einem der Ur-Modelle der Kompaktschaltschränke, ist Leiter des Produktmanagements in der Business Unit Industrie und seit 15 Jahren bei Rittal. Davor hat er 15 Jahre lang im Schaltanlagenbau gearbeitet. (Bild: Rittal)

„Digitale Prozesse beeinflussen das Produkt“

Auch wenn das Produkt Schaltschrank selbst nicht besonders digital ist – wenn man vom späteren Inhalt einmal absieht – so ist es sein Bestellprozess ebenso wie seine Produktion. ke NEXT war in Herborn und sprach mit dem zuständigen Produktmanager über modernen Schaltschrankbau.

Wie haben sich die Kundenanforderungen im Schaltschrankbau in den vergangenen Jahren verändert?

Was sich ziemlich stark verändert hat, ist dass die Kunden stärker digitalisiert arbeiten. Das beginnt bei der Produktauswahl bis zur Umsetzung der Kundenanforderungen in ein digitales Modell. Vor 15 Jahren war das Thema 3D-CAD-Daten noch lange nicht so verbreitet, wie wir das heute sehen. Mittlerweile haben manche Kunden ihre Engineering-Daten so aufbereitet, dass man wirklich von einem reellen digitalen Zwilling sprechen kann. Der Vorteil ist, dass man aus solchen genauen Daten auch weitere Vorteile im ganzen Prozess vom Kunden bis zur Auslieferung ableiten kann.

Was heißt das für den Schaltschrankbau?

Nun, man kann die mechanische Vorbereitung, die bislang oft von Hand ausgeführt wurde, automatisieren. Also Ausschnitte in Türen oder Seitenwänden, aber auch das Thema Verdrahtung. Wenn man vorher weiß, wie die Kabelkanäle im Gerät angeordnet sind, dann kann man errechnen, wie lang die Kabel sein müssen und vorab konfektionieren. Dann ist man im eigentlichen Zusammenbauprozess wesentlich schneller.

Aber was bedeutet das für Sie als Schaltschrankhersteller?

Auch wir passen unsere Produktion entsprechend an. In unserem neuen Werk in Haiger wurde alles nach den Gesichtspunkten von Industrie 4.0 umgesetzt. Das heißt, wir spulen heute das Blech bedarfsgerecht vom Coil herunter, von wo es direkt zugeschnitten und automatisch an die nächste Stufe der Verarbeitung weitergeleitet wird – bis zur Verpackung und Auslieferung an den Kunden. Das macht unsere Produktion so flexibel, dass wir auf wechselnde Bedarfe ganz spontan reagieren können. Wir können bis kurz vor der Produktion sagen, ob wir an diesem Tag 500 oder 700 Gehäuse von einem gewissen Typ brauchen. Das war früher nicht möglich.

Das ist nützlich für Sie. Was ist der Vorteil der Digitalisierung für Ihre Kunden?

Dem Kunden ist es vor allem wichtig, dass er die Produkte zum geforderten Zeitpunkt geliefert bekommt. Zudem erhält er von uns komplette Datensätze zu den Schränken, in fast allen erdenklichen Formaten. Es ist doch so: Wir können dem Kunden Modifikationen seiner Schränke über unser Mod-Center anbieten. Das nimmt jedoch mehr Zeit in Anspruch. Wir stellen aber fest, dass sich mittlerweile auch viele mittelgroße Kunden dafür entschieden haben, zu automatisieren und eigene Bearbeitungszentren angeschafft haben. Kunden sind heute in der Lage, aus der Software E-Plan Pro Panel, wie auch aus unserem eigenen Konfigurator, dem Rittal Configuration System, ein Produkt zu konfigurieren und mit passendem Zubehör auszustatten. Das kann direkt in den Webshop übertragen werden. Der Kunde sieht dort automatisch Preis und Verfügbarkeit der von ihm gewählten Produkte, und er kann sich gleichzeitig die passenden Bearbeitungsprogramme dazu herunterladen. Er bekommt also die Datensätze der Modifikationen, die er selber am Gehäuse vornehmen möchte, schon für seine Maschine geliefert.

Ab wann werden die neuen Schaltschränke der AX/KX-Reihe lieferbar sein?

Wir haben die neue Baureihe auf der Hannover Messe 2019 vorgestellt und werden ab Juli 2019 mit einem dicken Lagerbestand den Verkauf in Deutschland starten. Die Produktion läuft bereits und wir sind dabei, die Mengen hochzufahren. Generell ist alles, was Sie bei uns im Katalog finden, in Deutschland innerhalb von 24 Stunden lieferbar. Wir halten diese Produkte vor. Wenn ein Kunde bis um 14 Uhr bei uns bestellt, hat er am nächsten Tag um 11 Uhr das Produkt bei sich auf dem Hof. Das soll auch bei den neuen Modellen so sein.

Soll die neue Baureihe den Vorgänger ersetzen oder werden beide Serien parallel laufen?

Die Reihen AE, CM und KL werden noch eine gewisse Zeit parallel zur den neuen AX und KX laufen, aber nicht lange. Im Grunde drehen wir hier einen großen Teil unseres Portfolios, das kann man nicht lange parallel laufen lassen. Allerdings sind die Baureihen von der Ausführung und den Abmessungen identisch gehalten, sodass die Kunden sich sehr leicht umstellen können. Außerdem bieten die neuen Produkte Einsparpotenzial im Engineering, in der Bearbeitung und bei der Montage. Letztendlich profitiert der Kunde vom neuen Modell.

Das Gespräch führte Wolfgang Kräußlich, Chefredakteur

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