Industrie im Wandel

Industrial AI als Schlüssel für eine resiliente Produktion

Das KI-Start-up Assemblean hat sich auf die Fahne geschrieben, komplette Produktionsprozesse zu automatisieren.
Das KI-Start-up Assemblean hat sich auf die Fahne geschrieben, komplette Produktionsprozesse zu automatisieren.

Industrielle Produktion wandelt sich: KI wird vom Automatisierungswerkzeug zum Kern vernetzter Fertigung. Industrial AI schafft Transparenz, verkürzt Entwicklungszyklen und stärkt Europas Souveränität. Assemblean zeigt, wie aus Daten Wert entsteht.

Laut einer Studie der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2023 investieren Unternehmen in China und den USA drei- bis viermal so viel in KI-Technologien wie ihre deutschen Pendants. Dieser Rückstand bleibt nicht folgenlos: Verzögerte Innovationszyklen, steigende Produktionskosten und eine wachsende Abhängigkeit von außereuropäischen Technologieanbietern bringen das bisherige Modell industrieller Wertschöpfung zunehmend ins Wanken.

Die zentrale Frage lautet deshalb nicht mehr, ob KI Einzug in die Produktion halten sollte, sondern wie schnell und in welcher Tiefe ihre Integration gelingen kann.

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Industrial AI: ein neues Produktionsparadigma

Der Begriff Industrial AI steht für die gezielte Anwendung von KI in industriellen Prozessen – und meint damit mehr als klassische Automatisierung. Es geht nicht mehr nur um die Optimierung repetitiver Aufgaben, sondern um lernfähige Systeme, die Produktionsprozesse in Echtzeit analysieren, steuern und verbessern. KI kann Qualitätsmuster erkennen, vorausschauende Wartung ermöglichen, Engpässe antizipieren und sogar eigenständig Verbesserungsvorschläge auf Basis historischer und aktueller Daten ableiten.

Besonders die Fortschritte im Bereich generativer KI eröffnen dabei neue Spielräume. Eine McKinsey-Prognose aus dem Jahr 2024 beziffert das zusätzliche Bruttoinlandsprodukt, das durch den Einsatz generativer KI in Deutschland bis 2040 generiert werden könnte, auf bis zu 585 Milliarden Euro – ein großer Teil davon entfällt auf die verarbeitende Industrie. Diese Zahl ist keineswegs abstrakt: Sie steht für höhere Produktivität, schnellere Innovationszyklen und eine widerstandsfähigere Produktion, die unabhängig von globalen Lieferketten operieren kann.

Doch die Realität sieht vielerorts anders aus. Eine Bitkom-Umfrage aus demselben Jahr zeigt, dass nur 42 Prozent der Industrieunternehmen in Deutschland KI aktiv in ihre Produktionsprozesse eingebunden haben. Zwar ist das ein Anstieg gegenüber 23 Prozent im Vorjahr, doch gemessen am Potenzial und den Investitionen internationaler Wettbewerber bleibt die Lücke groß. Es ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass technologische Verfügbarkeit allein nicht ausreicht – es braucht auch strukturelle Voraussetzungen und Umsetzungsfähigkeit.

Über den Autor

Alexander Pöhler von Assemblean
Alexander Pöhler von Assemblean

Alexander Pöhler ist Mitgründer von Assemblean, einer digitalen Produktionsplattform, die Unternehmen dabei unterstützt, innovative Produkte schneller und effizienter zur Marktreife zu bringen. Mit seiner Expertise in Fertigung, Digitalisierung und Unternehmensentwicklung treibt er die Mission von Assemblean voran, die industrielle Auftragsfertigung neu zu denken und für die deutsche Wirtschaft zugänglich zu machen.

Daten als strategische Ressource – und zentrale Schwachstelle

Ein zentraler Engpass auf dem Weg zur KI-basierten Produktion liegt im Umgang mit Daten. Produktionsdaten sind in vielen Unternehmen in großer Menge vorhanden – aus Maschinen, Sensoren, Qualitätsprüfungen oder Energieverbrauchsmessungen. Doch sie bleiben oft ungenutzt oder fragmentiert gespeichert. Laut VDMA nutzen lediglich 28 Prozent der Unternehmen ihre Produktionsdaten systematisch.

Die Gründe sind vielfältig: fehlende Standards, mangelnde Interoperabilität zwischen IT- und OT-Systemen, proprietäre Maschinenformate, unzureichende Analysekapazitäten. In der Praxis bedeutet das: wertvolle Daten werden gesammelt, aber nicht in verwertbare Informationen übersetzt – ein klassischer Fall ungehobenen Potenzials.

Gleichzeitig zeigt sich, dass genau hier wichtige Hebel für Effizienz, Qualität und Nachhaltigkeit liegen. In der Prozessindustrie etwa – zu Beispiel in der Chemie oder Pharmazie – helfen neuronale Netze bereits dabei, komplexe Reaktionsverläufe vorherzusagen und Energieverbrauch zu senken. Studien des Fraunhofer IPA belegen, dass durch prädiktive Steuerung der Energiebedarf um bis zu 15 Prozent reduziert werden kann – ein nicht zu unterschätzender Beitrag sowohl zur Kostensenkung als auch zur Erreichung klimapolitischer Ziele.

Digitale Entwicklung neu denken: Von der Idee zur Produktion in Minuten

Gerade im Bereich der Produktentwicklung wird deutlich, wie transformative Industrial AI wirken kann. Lange Planungsphasen, aufwendige Angebotszyklen und komplexe Abstimmungsprozesse verzögern in vielen Unternehmen den Weg von der Idee zum fertigen Produkt. Dabei liegt ein enormes Potenzial in der KI-gestützten Beschleunigung und Vereinfachung dieser Prozesse.

Neuartige Systeme ermöglichen es inzwischen, Baugruppen oder Verbindungselemente vollständig per Texteingabe zu spezifizieren. Ein Beispiel für diese Entwicklung ist der AI Uploader von Assemblean, der es erlaubt, auf Basis einer Produktidee automatisch eine 3D-Visualisierung zu erzeugen, die technische Machbarkeit zu analysieren und erste Kosten zu kalkulieren – alles in wenigen Minuten, und ohne aufwändige technische Modellierung im Vorfeld.

Die erstellten Komponenten werden auf Machbarkeit geprüft und können dann über das Partnernetzwerk gefertigt werden, etwa über ein angeschlossenes Partnernetzwerk. Für viele Unternehmen bedeutet das: kein eigener Maschinenpark, keine langwierige Angebotsvergabe, keine mühselige Vorproduktion – sondern ein direkter, KI-gestützter Übergang von der Produktidee zur Serienfertigung. Besonders für Prototypen, Kleinserien oder variantenreiche Produkte eröffnet dies neue Spielräume.

Industrial AI ist nicht einfach nur ein Werkzeug, sondern Voraussetzung für die Wettbewerbsfähigkeit.

Alexander Pöhler, Mitgründer und CEO von Assemblean

Lernen aus der Praxis: Konkrete Effekte intelligenter Systeme

Die Praxis zeigt, dass Industrial AI dort, wo sie systematisch eingesetzt wird, deutliche Wirkungen entfaltet. In der Automobilindustrie lassen sich durch KI-basierte Qualitätsanalysen Ausschussquoten um bis zu 30 Prozent reduzieren. In der Elektronikfertigung minimieren intelligente Wartungssysteme ungeplante Maschinenstillstände um 20 bis 40 Prozent. Und in der Produktentwicklung verkürzen KI-gestützte Simulationsverfahren die Time-to-Market deutlich – bei gleichzeitig sinkenden Entwicklungskosten.

Noch leistungsfähiger werden solche Anwendungen, wenn sie durch sogenannte digitale Zwillinge ergänzt werden: virtuelle Abbilder physischer Produkte oder Prozesse, die in Echtzeit mitlaufen und fortlaufend mit Daten gespeist werden. Sie ermöglichen nicht nur präzisere Steuerung, sondern auch kontinuierliche Verbesserung – ein zentrales Element für resiliente Produktionssysteme.

Der AI Uploader von Assemblean ermöglicht es, aus einer einfachen Produktidee in kürzester Zeit automatisch eine 3D-Visualisierung zu erstellen, die technische Machbarkeit zu prüfen und eine erste Kostenschätzung zu berechnen – ganz ohne aufwendige technische Modellierung im Vorfeld.
Der AI Uploader von Assemblean ermöglicht es, aus einer einfachen Produktidee in kürzester Zeit automatisch eine 3D-Visualisierung zu erstellen, die technische Machbarkeit zu prüfen und eine erste Kostenschätzung zu berechnen – ganz ohne aufwendige technische Modellierung im Vorfeld.

Voraussetzungen für die Zukunft: Infrastruktur, Bildung, Vertrauen

Damit Industrial AI flächendeckend wirksam werden kann, braucht es mehr als Einzelanwendungen. Es braucht eine digitale Infrastruktur, die Datensouveränität mit Offenheit verbindet – etwa über standardisierte Schnittstellen, sichere Cloud-Infrastrukturen und gemeinsame Plattformen. Projekte wie GAIA-X oder Catena-X leisten hier wichtige Grundlagenarbeit, müssen aber breiter in der Industrie verankert werden.

Gleichzeitig ist der Aufbau von Daten- und KI-Kompetenz entscheidend. Technisches Wissen allein reicht nicht aus – gebraucht wird ein systemisches Verständnis für digitale Zusammenhänge, Datenarchitekturen und algorithmisches Denken. Von Berufsschulen über Hochschulen bis zur betrieblichen Weiterbildung muss KI-Kompetenz in die technische Aus- und Fortbildung integriert werden. Es braucht neue Studiengänge, modulare Weiterbildungsangebote, Zertifizierungen – und nicht zuletzt Räume für praktisches Experimentieren.

Ein dritter, oft unterschätzter Faktor ist Vertrauen. KI verändert nicht nur Prozesse, sondern auch Entscheidungswege und Verantwortlichkeiten. Je tiefer die Systeme in operative Abläufe eingreifen, desto höher werden die Anforderungen an Transparenz, Nachvollziehbarkeit und IT-Sicherheit. Wer Industrial AI erfolgreich implementieren will, muss deshalb von Beginn an auch ethische, rechtliche und organisatorische Fragen mitdenken.

Resilienz und Nachhaltigkeit als systemische Ziele

Industrial AI ist nicht nur ein Effizienztreiber – sie kann auch zentrale Beiträge zu Nachhaltigkeit und Widerstandsfähigkeit leisten. Intelligente Produktionssysteme helfen dabei, Ressourcen zielgenauer einzusetzen, Fehler früher zu erkennen und Prozesse flexibel anzupassen. In einer Zeit, in der Lieferketten anfälliger, Rohstoffe knapper und regulatorische Anforderungen strenger werden, wird diese Fähigkeit zur adaptiven Steuerung zum strategischen Vorteil.

Zugleich ermöglicht KI neue Formen der Vernetzung – in Form kooperativer Ökosysteme, digitaler Plattformen und industrieübergreifender Datenräume. Diese Vernetzung wird zum Fundament einer industriellen Infrastruktur, die nicht nur technologisch, sondern auch ökonomisch und ökologisch tragfähig ist.

Fazit

Deutschland verfügt über ein exzellentes industrielles Fundament – doch dieses Fundament muss jetzt digital tragfähig gemacht werden. Die technologische Basis ist vorhanden, ebenso wie erste erfolgreiche Anwendungen. Was fehlt, ist die Breite in der Umsetzung, die strukturelle Durchdringung.

Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen: Wer heute nicht in Industrial AI investiert, zahlt morgen mit Innovationsrückstand, Abhängigkeit und sinkender Wettbewerbsfähigkeit. Industrial AI ist nicht nur Werkzeug, sondern Voraussetzung. Es liegt an uns, sie entsprechend zu gestalten.

FAQ: Industrial AI in der Produktion

1. Was versteht man unter Industrial AI?
Industrial AI beschreibt den gezielten Einsatz künstlicher Intelligenz in industriellen Prozessen. Es geht nicht nur um Automatisierung, sondern um lernfähige Systeme, die Produktionsdaten analysieren, Entscheidungen treffen und Prozesse eigenständig optimieren – in Echtzeit.

2. Warum ist der Einsatz von KI in der Produktion so entscheidend?
Weil Industrial AI nicht nur Effizienz steigert, sondern Produktionssysteme resilienter und nachhaltiger macht. Sie ermöglicht etwa vorausschauende Wartung, schnellere Produktentwicklung und flexible Reaktionen auf volatile Märkte und Lieferketten.

3. Welche Rolle spielen Daten bei Industrial AI?
Daten sind der Schlüssel zur Wertschöpfung – sie machen KI erst möglich. Doch derzeit nutzen nur wenige Unternehmen ihre Daten systematisch. Industrial AI braucht strukturierte, vernetzte und zugängliche Daten, um ihr volles Potenzial zu entfalten.

4. Was macht Assemblean zum Vorreiter in diesem Bereich?
Assemblean hat mit dem AI Uploader ein System entwickelt, das aus einer simplen Produktidee automatisiert eine 3D-Visualisierung samt Machbarkeitsanalyse und Kostenkalkulation erstellt – innerhalb weniger Minuten und ganz ohne klassische Modellierung.

5. Welche Voraussetzungen sind nötig, damit Industrial AI großflächig funktioniert?
Neben Technologie braucht es digitale Infrastruktur, KI-Kompetenz in der Ausbildung und Vertrauen in die Systeme. Projekte wie GAIA-X, Weiterbildungsangebote und transparente KI-Modelle schaffen die Basis für eine flächendeckende Anwendung in der Industrie.