Herr Wöhner, wie wirken sich die Themen Industrie 4.0, Cloud Computing und Digitalisierung der Produktion auf die Entwicklung der Steuerungen aus?
Connectivity heißt das Zauberwort. Es ermöglicht die Anbindung der Steuerungen sowohl untereinander als auch in die Cloud. Vernetzung sogar dort, wo es der Maschinenprozess gar nicht braucht. Die Herausforderung für Steuerungen ist es, zu allen Seiten offen zu sein ohne dabei Einfallstore für Cyberangriffe zu bieten. Heute behilft man sich hier mit IoT-Gateways, die in gewisser Weise die Rückwirkungsfreiheit für den Steuerungsprozess sicherstellen sollen. Die Steuerungsaufgaben selbst bleiben in Zukunft nahezu unverändert. Es geht vielmehr um die Möglichkeit, die Steuerung zusätzlich mittels offener Schnittstellen in die Unternehmens IT (ERP-Systeme) sowie mit der Cloud zu verbinden.
Weit größer sind die Anforderungen an die Tool-Welten. Der Consumer Bereich macht es uns vor. Hier sind einfach anwendbare Lösungen gefragt, wie eine geeignete Software-Plattform in der sich alle Funktionen einfach programmieren und konfigurieren lassen. Eine aufwendige Konfiguration der einzelnen Kommunikationsverbindungen zwischen Steuerungsteilnehmern ist nicht erforderlich. Das spart Zeit und minimiert Fehler. Und darauf kommt es in der sicheren Automation besonders an.
Inzwischen steckt viel Intelligenz in den Komponenten, die zum einen die Vorverarbeitung der Daten übernehmen und zum andern schon selbst Steuerungsfunktionen übernehmen. Welchen Einfluss gewinnen diese Komponenten auf die Maschinen und Steuerungen?
Zunächst dürfen wir positiv annehmen, dass die eigentliche Prozesssteuerung entlastet wird und sich der Steuerungsprogrammierer weniger Gedanken um die spezifischen Auswertefunktionen der intelligenten Komponenten machen muss. Zum anderen müssen wir aber bedenken, dass diese Komponenten selbst dadurch potenziell teurer werden. Es ist also eine Gradwanderung, welches Konzept bei der Neugestaltung von Maschinen und Anlagen zum Einsatz kommt. Betrachten wir die Flexibilisierung der Anlagen und die damit verbunden neuen Möglichkeiten bei Kapazitätserweiterungen und Umrüstungen in der Produktion, dann müssen sich diese dezentralen Ansätze mit intelligenten Komponenten in jeder Industrie-4.0-tauglichen Fertigung durchsetzen.
Die zunehmende Leistungsfähigkeit, Flexibilität und Intelligenz von Maschinen und Anlagen führt zu immer komplexeren Systemen, was höchste Anforderungen an die Bedienkonzepte stellt. Wie sieht der intuitive Zugriff auf die Daten aus?
Auch in diesem Feld müssen Marktstandards erst gefunden werden. Idealerweise bringen intelligente Datenquellen auch die Interpretation und die mögliche Behandlung der Daten mit. Entscheidend für die Leistungsfähigkeit einer Visualisierungslösung ist ihre Einbettung in das Steuerungskonzept einer Anlage. Im Idealfall kann die Visualisierungslösung auf den kompletten Datenbestand der Maschinensteuerung zugreifen. Je stärker das Tool in der Maschine oder Anlage verwurzelt ist, desto mehr Informationen kann das System dem Anwender geben und ebenso aufnehmen. Die Vorteile zeigen sich in einer höheren Verfügbarkeit durch lokale Fehlerreaktionen, einer höheren Produktivität infolge kürzerer Reaktionszeiten des Gesamtsystems und einer schnelleren Reaktionsfähigkeit durch den Anwender.
Zum Schluss noch das Thema Sicherheit. In den industriellen Anwendungen und den Auswertungen steckt mehr und mehr das gesamte Firmenwissen. Wie wird es vor unberechtigtem Zugriff geschützt?
Die Vernetzung der Zukunft ist integral. Das heißt, neben den Anforderungen der Automation müssen Safety- und Security-Aspekte gleichermaßen erfüllt sein. Dies wirkt auf den ersten Blick wie eine Selbstverständlichkeit, dennoch gibt es spezifische Anforderungen, die noch zu lösen sind. Ihre Frage zielt konkret auf den Know-how-Schutz eines Steuerungsprojektes. Wir müssen aber lernen, dass der Begriff Security deutlich mehr Facetten hat als die Betrachtungen im Safety-Umfeld. Zum Ausdruck bringen möchte ich, dass auch, wenn das Know-how perfekt geschützt ist, das Steuerungsprogramm trotzdem zerstört oder verändert werden könnte. Also müssen die Betreiber von vernetzten Steuerungen deutlich mehr Bedrohungsszenarien im Blick behalten.
Weitere Interviews mit Herstellern
Wie sehen andere Hersteller den Trend bei den Steuerungen? ke NEXT hat unter anderem nachgehakt bei:
- Beckhoff Automation. Die Fragen beantwortete Dr. Josef Papenfort, Produktmanager Twincat.
- B&R. ke NEXT hat zum Thema Trends bei den Steuerungen mit Simon Baier, Marketingleiter Deutschland gesprochen.
- Mitsubishi Electric. Harald Voigt, Senior Produkt Manager Compact PLC/HMI hat zwei Fragen beantwortet.
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