Man mag den guten alten Zeiten nachtrauern, aber im Grunde sind wir von modernen Consumer-Onlineshopsystemen mit ihren Konfiguratoren verwöhnt. Online einzukaufen ist für den Endverbraucher schon lange selbstverständlich. Eine Bestellung lässt sich jederzeit schnell und unkompliziert aufgeben, man kann sein Produkt einfach selbst auswählen, man sieht sofort einen Preis und wenn man möchte, kann man direkt bestellen.
Nun schickt sich diese Entwicklung an, auch das wesentlich komplexere B2B-Investitionsgütergeschäft zu erobern. Der Kölner Kunststoffspezialist Igus hat einen Online-Konfigurator für ein so komplexes Produktsegment wie Gewindetriebe live geschaltet. Falls der geneigte Leser nun denkt, ein Gleitgewinde sei nicht so komplex, dann sei darauf hingewiesen, dass neben unterschiedlichsten Geometrien und Materialien der Mutter auch noch Anpassungen an der Spindel nötig sind: Neben der Länge können auch Endbearbeitungen hinzukommen.
Das CAD-Programm ist nicht mehr nötig
„Unser Tool ist sicherlich derzeit auf dem Markt einzigartig“, führt Stefan Niermann aus. Er dürfte es wissen, ist er doch seit 20 Jahren bei Igus und leitet seit knapp 15 Jahren den Bereich der Linear- und Antriebstechnik. „Die Entwicklung einer Spindel bedeutet für viele Anwender einen hohen Aufwand. Denn in der Regel sind Kenntnisse im technischen Zeichnen und der Zugriff auf ein CAD-Programm notwendig. Damit Kunden auch ohne tiefgehendes technisches Knowhow und CAD-Software schnell an passende Gewindespindeln samt zugehöriger Zeichnungen gelangen, haben wir den Spindelkonfigurator entwickelt“, erklärt Niermann.
Mit diesem kann sich nun jedermann aus dem laut Igus größten Gewindetriebshop der Welt seine individuell gefertigte und langlebige Spindel gestalten, die möglichst optimal in seine Anwendung passt.
Das Besondere des Igus-Onlineshops ist, dass der Kunde ab Stückzahl eins kaufen kann. Je nach Verfügbarkeit sind die Produkte direkt ab Lager bereits in 24 Stunden lieferbar. Vom Gleitlager über den Lineartisch bis hin zum Energiekettensystem – auf der Igus-Website kann sich der Nutzer kostenfrei und ohne Anmeldung die Lebensdauer der Komponenten berechnen oder auch individuelle Lösungen konfigurieren und in Auftrag geben.
Große Auswahl an Formaten und Materialien
So auch bei den Gewindetrieben: Ob Trapez-, Steil- oder metrisches Gewinde: Spindeln sorgen in Kombination mit Muttern aus Iglidur-Hochleistungspolymeren für eine schmierfreie Verstellung bei einem langlebigen und ruhigen Lauf. Hierbei können Anwender auf die große Erfahrung des Herstellers bei Tribokunststoffen vertrauen, also Kunststoffen mit integrierter Schmierung. Die sind generell für dutzende Anwendungsfälle verfügbar, wobei sich bei Spindeln sechs Standard- und weitere circa 30 Sonderwerkstoffe bewährt haben. Doch die Wahl des richtigen Werkstoffes für die Muttern ist nur der halbe Weg. Um zur richtigen Antriebslösung zu kommen, war bislang ein hoher Aufwand und einiges Knowhow vonnöten. Von der Bestimmung der richtigen Parameter über die Bearbeitung der Spindel, die Auslegung mit einem CAD-Programm und die Prüfung auf technische Plausibilität bis hin zur Bestellung nahm der Prozess oft einige Stunden bis zu mehreren Tagen in Anspruch. Um Kunden hier einen besseren Service zu bieten, hat Igus im hauseigenen E-Commerce-Bereich mittlerweile 43 Online-Konfiguratoren und 16 Apps entwickelt. Der neueste dieser Konfiguratoren ist nun für die Gewindespindeln live gegangen.
„Wir wollten es dem Kunden einfacher machen, die Abläufe zu automatisieren“, so Niermann. Daher hat der Motion-Plastics-Anbieter das neue Tool zur einfachen Konfiguration der passenden Spindel entwickelt. Er überprüft direkt die Plausibilität der Konfiguration. So kann jeder ganz ohne CAD-Software zum Konstrukteur werden. In drei Schritten kann der Nutzer seine Spindel individuell gestalten, die Zapfen bearbeiten und eine Bemaßungszeichnung direkt generieren. Anschließend kann er sich das 3D-Modell seiner Konfiguration downloaden und die fertig konfigurierte Gewindespindel bestellen oder ein verbindliches Angebot anfordern.
In Minuten zur passenden und langlebigen Spindel
Die Konfiguration erfolgt ganz schnell, innerhalb von drei Schritten: Im ersten Schritt kann der Kunde den Gewindetyp bestimmen. Neben dem klassischen Trapezgewinde und dem metrischen Gewinde hat der Nutzer die Möglichkeit, auch das Dryspin-Steilgewinde zu wählen. Dieses ist ein von Igus patentiertes Gewinde, das für einen höheren Wirkungsgrad durch einen optimierten Flankenwinkel sorgt. Nach der Wahl des Gewindetyps kann der Anwender die Gewinderichtung, das Material sowie die Spindellänge bestimmen.
Im zweiten Schritt erfolgt die Konfiguration der Zapfen. Hier bietet der Konfigurator dem Nutzer die Möglichkeit, den Grundkörper von außen nach innen zu bearbeiten und zwölf Standardelemente wie Fase, Spannfläche oder Sicherungsring dem Zapfen hinzuzufügen. Im Konfigurationsprozess kann der Konstrukteur sich jederzeit die aktuelle Bemaßungszeichnung direkt herunterladen. Ein weiterer Service: Der Preis der Spindel wird sofort angezeigt. So sieht der Nutzer bereits während der Bearbeitung die Preisveränderung. Im dritten Schritt erhält der Kunde eine Komplettübersicht seiner Konfiguration. Er kann sich die Step-Datei für die weitere Konstruktion seiner Anwendung herunterladen, die Konfiguration für Folgeaufträge als Link speichern oder mit Kollegen teilen. Mit einem einfachen Klick lässt sich die fertig konfigurierte Spindel online bestellen. Der Auftrag wird automatisch an die Igus-Fabrik übermittelt, dort startet er in der Regel innerhalb von 30 Minuten. „Wenn es keine Fragen gibt, sind alle Abläufe automatisiert“, erklärt Stefan Niermann. „Der Kunde hat in diesem Fall keinen direkten Kommunikationszwang mehr mit uns. Die Bestellung, Zeichnung und Stückzahl wird direkt an die Bearbeitungsmaschine durchgegeben. Innerhalb weniger Tage hat der Kunde seine Produkte geliefert.“
Die Vorteile des Spritzgusses nutzen
Sowohl bezüglich der Geschwindigkeit als auch bezüglich des Preises profitieren Kunden von der Spritzguss-Erfahrung des Kölner Herstellers. „Technisch gesehen haben wir uns da natürlich weiterentwickelt“, gibt Niermann zu bedenken. „Bei der Mutternherstellung haben wir die Variante, die Mutter komplett aus dem Halbzeug herauszudrehen und dann ein Gewinde hineinzuschneiden. Das ist auch das, was viele Marktbegleiter machen.“ Das, so Niermann, sei auch okay. Günstiger sei es allerdings, die Mutterngeometrie schon vorab zu spritzen und dann nur noch das Gewinde hineinzuschneiden. Das sei preiswerter und das Kunststoffmaterial weise dann ein besseres Verschleißverhalten auf. „Die vielleicht schönste Variante ist eine komplett gespritzte Gleitgewindemutter“, begeistert sich Stefan Niermann. Mittels eines Drehkernwerkzeuges werde neben der Außengeometrie auch das Gewinde gespritzt. „Das Interessante bei dieser Sache ist: Wenn man die unterschiedlichen Muttern auf eine Prüfmaschine oder ins Testlabor bringt, dann bieten die komplett gespritzten Muttern am Ende die beste Performance. Sie haben den höchsten Wirkungsgrad und auch das beste Verschleißverhalten.“ Dass diese Variante – ausreichend hohe Stückzahlen vorausgesetzt – gleichzeitig auch die günstigste ist, kann als zusätzlicher Bonus gesehen werden.
Die Arbeit erleichtern, intern und extern
Die ständige und schnelle Verfügbarkeit von Daten erleichtert die Arbeit. Igus will mit der Digitalisierung der Prozesse sowohl seinen Kunden als auch seinen Mitarbeitern die Arbeit erleichtern und ihnen innovative Methoden an die Hand geben. Mit dem System für die Gewindespindeln ist der Hersteller hier wieder einen Schritt weiter.
Im Gespräch mit Stefan Niermann, Igus
„Jeder kann eine komplizierte Zeichnung erstellen“
Igus ist bekannt für sein umfangreiches Online-Shop-System. Für Gewindetriebe ist nun ein Konfigurator live, der die Funktionalität deutlich erweitert. ke NEXT sprach mit dem Leiter des Bereichs Linear- und Antriebstechnik bei Igus über die Möglichkeiten des neuen Konfigurators.
Sie sagen, Igus hätte den größten Onlineshop der Welt für Gewindetriebe. Wie kommen Sie darauf?
Ganz einfach, weil wir festgestellt haben, dass wir das breiteste Portfolio haben. Wir haben von metrischen Gewindespindeln über Trapezgewindespindeln und die amerikanische zöllige Variante bis hin zur eigenen Steilgewindegeometrie alles im Programm. Wir bieten zu jeder Spindelgeometrie auch die passende Mutter. Dabei haben wir zunächst einmal sechs Werkstoffe im Standardprogramm, können aber auch noch weitere 30 Werkstoffe für Sonderlösungen anbieten. Dazu kommen sehr viele geometrische und technische Besonderheiten in den Muttern, zum Beispiel in den Vorspannungen oder mit Antivibrationsdämpfern, die in den Muttern eingebracht sind. Von daher ist da mittlerweile ein stattliches Portfolio zusammengekommen.
Was ist das Besondere am Igus-Portfolio im Vergleich zu anderen Herstellern, die ja auch Gewindespindeln anbieten?
Der Hauptunterschied liegt sicherlich in den Muttern. Wir sind mehr oder weniger der einzige Anbieter, der aus dem Kunststoffbereich kommt. Die meisten Hersteller kommen aus dem Spindelbereich. Entsprechend können wir da natürlich die Stärken unserer Iglidur-Werkstoffe wunderbar ausspielen. Wir erreichen damit deutlich höhere Lebensdauern als andere ungeschmierte Kunststoffe.
Hinzu kommt: Wir haben bei den Steilgewinden eine eigene patentierte Geometrie entwickelt, die auf dem ersten Blick ähnlich aussieht wie die von Marktbegleitern. Aber durch kleine Optimierungen konnten wir unter gleichen Laborbedingungen nochmals eine bis zu fünffach längere Lebensdauer erreichen.
Welche Werkstoffe bieten Sie für Spindelmuttern an?
Topseller ist das gelbe Iglidur J. Das zeichnet sich auf allen Materialien durch ein sehr gutes Verschleißverhalten und auch einen guten Wirkungsgrad aus. Aber für kleinere Spindeln, Durchmesser unter 14 mm, die relativ schnell drehen, empfehlen wir das graue Iglidur E7. Denn dünne Spindeln schwingen sich gern auf und dann fängt ein Gewindetrieb an zu kreischen. E7 schluckt diese Geräusche und kann so mit relativ hohen Drehzahlen auch an einer kleinen Trapezgewindespindel fahren. Dann gibt es Materialien, die für die Lebensmittel- oder Abfüllindustrie geeignet sind, etwa Iglidur 380 mit FDA-Zulassung. Wenn man wirklich sehr auf die Kosten schaut und trotzdem einen vernünftigen Kunststoff haben möchte, nimmt man Iglidur R. Und für Sonderwünsche gibt es noch viel mehr.
Nun zu Ihrem Konfigurationstool. Was ist das Besondere daran?
Das fängt schon im eigentlichen Shopsystem an: Der Kunde kann die Produkte ansehen – aber das kann er in anderen Shops auch. Bei uns hat er zusätzlich ein Expertentool, da kann er Belastungsdaten, Einbaurichtung oder Geschwindigkeiten, mit denen er verfahren möchte, eingeben. Er erhält dann sofort eine Lebensdauerberechnung für die verschiedenen Werkstoffe. Das gibt natürlich nochmal Sicherheit. Im neuen Konfigurationstool kann er die ausgewählte Spindel in zahlreichen Schritten online konfigurieren. Das heißt in dem Fall wirklich, er kann ähnlich wie es ein Zeichner am CAD machen würde, eine Spindelzeichnung erstellen. Er kann zum Beispiel zwei Zapfen auf die eine Seite der Spindel planen, eine Passfedernut, eine Schlüsselfläche oder axial ein Gewinde an der Spindel. Die eigentliche Sensation ist, dass jedermann eine wirklich komplizierte technische Zeichnung für eine Spindel erstellen kann, ohne CAD-Kenntnisse. Am Ende dieses Prozesses kann der Kunde sich eine technische 2D-Zeichnung ausdrucken oder ein 3D-File herunterladen. Er bekommt online immer einen Live-Preis angezeigt und ist in der Lage, zu konfigurieren und gleichzeitig zu bestellen.
Wie lange dauert dann die Lieferung?
Das sehen Sie auch online. Wenn man die Spindel nur in der Länge anpassen und anphasen will, ist das innerhalb von drei, vier Tagen möglich. Wenn es kompliziertere Bearbeitungsszenarien sind, dann kann die Lieferzeit auch schon mal sechs bis acht Tage betragen. Aber man weiß, wie die Bearbeitung aussieht und man hat eine garantierte Lieferzeit. wk