
Kann Technologie die deutsche Industrie 2025 aus dem Tief befreien? Fraunhofer-Experte Michael Fritz sieht drei Trends, die das Potenzial dazu haben. (Bild: Stock.Adobe.com - Emiliia)
Wie kann Deutschland gestärkt aus einem Jahr der wirtschaftlichen und politischen Unsicherheit hervorgehen? Eine jüngst veröffentlichte Umfrage des ifo Instituts reflektiert zunächst wenig Optimismus für das kommende Jahr: Nur jedes achte Unternehmen erwartet bessere Geschäfte, während 56 Prozent keine Veränderung und 31 Prozent sogar eine Verschlechterung prognostizieren.
Doch auch wenn die wirtschaftliche Lage in Deutschland derzeit zu wünschen übriglässt, halte ich es für unangebracht, die Zuversicht zu verlieren. Denn gerade angesichts der technologischen Entwicklungen in der jüngeren Vergangenheit sehe ich ein großes Wachstumspotenzial, von dem Unternehmen jeder Größe profitieren können. Gerade in Zeiten der Unsicherheit können gezielte Innovationen und eine stärkere Vernetzung den Grundstein dafür legen.
Das Video des Fraunhofer CCIT erläutert, worum es bei Kognitiven Internet-Technologien geht.
Eines ist klar: Vernetzung, Zusammenarbeit und Digitalisierung sind entscheidende Hebel, um Unternehmen widerstandsfähiger, effizienter und wettbewerbsfähiger zu machen. Indem verschiedene Akteure aus Wirtschaft, Forschung und Politik ihre Kräfte bündeln, lassen sich Synergien schaffen, die weit über die Summe einzelner Maßnahmen hinausgehen. Die digitale Transformation erfordert nicht nur technologische Innovationen, sondern auch ein Umdenken hin zu offener Kooperation und gemeinsamen Lösungen.
Zur Person: Michael Fritz
Michael Fritz ist Leiter der Geschäftsstelle des Fraunhofer Cluster of Excellence Cognitive Internet Technologies CCIT. Der Cluster ist ein Zusammenschluss zwischen den Fraunhofer Instituten AISEC (Institut für Angewandte und Integrierte Sicherheit), IIS (Institut für Integrierte Schaltungen), ISST (Institut für Software- und Systemtechnik) und IAIS (Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme) und kombiniert die Vorlaufforschung der Fraunhofer-Institute mit der angewandten Forschung über interdisziplinäre Fachgrenzen hinweg.
Factory-X: Ein digitaler Datenraum für den Maschinenbau
Der Maschinenbau ist eine tragende Säule der deutschen Wirtschaft – doch gerade diese Branche steht vor der Herausforderung, die Digitalisierung ihrer Prozesse umfassend voranzutreiben. Hier setzt das Projekt Factory-X an: Ziel ist es, ein kollaboratives digitales Ökosystem für Fabrikausrüster und -betreiber zu schaffen. Inspiriert von Projekten wie Catena-X aus der Automobilindustrie, geht Factory-X jedoch einen Schritt weiter und passt die Ansätze an die fragmentierte Struktur des Maschinenbaus an. Beim Fraunhofer CCIT wird bereits an technischen Lösungen geforscht, die über die bisherigen Ansätze hinausgehen.
Im Mittelpunkt steht der Aufbau eines sicheren Datenraums, in dem Unternehmen vertrauensvoll zusammenarbeiten können. Dieser Raum basiert auf offenen Standards und stellt sicher, dass die Datensouveränität gewahrt bleibt. Mit Hilfe von Technologien zur Datennutzungskontrolle, die im Fraunhofer CCIT entwickelt werden, können Unternehmen den Wert ihrer Daten ausschöpfen, effizienter arbeiten und neue Geschäftsmodelle erschließen. Factory-X bietet so eine wichtige Plattform, um die Resilienz und Nachhaltigkeit der Branche zu stärken. Aus wirtschaftlicher Sicht ist es wichtig, dass digitale Geschäftsmodelle entstehen, die den Mehrwert des Datenaustauschs für Maschinenbetreiber und Anlagenbauer unter Berücksichtigung von Sicherheitsaspekten aufzeigen.
Ein wichtiger erster Schritt in die Zukunft kann für Unternehmen zum Beispiel in der gezielten nachträglichen Aufrüstung von Anlagen liegen – eine nachhaltige Chance, bestehenden Prozesse ohne große Neuanschaffungen und finanzielle Risiken aufzuwerten.
Open Source-Technologien: Unabhängigkeit und Innovation durch Transparenz
Der Schlüssel zur gemeinsamen Entwicklung offener Standards und damit zur digitalen Souveränität der Branche liegt in Open Source-Technologien.
Sie erlauben es besonders kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) nicht nur von einer höheren Kosteneffizienz und Flexibilität zu profitieren, sondern bieten gleichzeitig eine kollaborative Grundlage, welche die Zusammenarbeit über Branchengrenzen hinweg beschleunigt – genauso wie die Innovationsgeschwindigkeit. Allerdings erfordern sie oft spezifisches Know-how und Ressourcen für die Implementierung und individuelle Anpassungen. KMU sollten daher sorgfältig abwägen, ob sie über die notwendigen Kapazitäten verfügen oder externe Unterstützung in Anspruch nehmen müssen, um die Vorteile von Open Source voll auszuschöpfen.
Fest steht: Mit Open Source machen sich deutsche Unternehmen unabhängiger von großen internationalen Anbietern und behalten die Kontrolle über ihre Prozesse und Systeme. Hinter der Implementierung steckt nicht nur eine technologische Entscheidung, sondern auch ein Mindset – gemeinsam offene Lösungen schaffen, nutzen und weiterentwickeln. Denn der konsequente Einsatz von Open Source, Open Standards bis hin zu Open Innovation führt unweigerlich zu Fortschritt und damit zu wirtschaftlichem Wachstum der gesamten Branche.
OpenGPT-X: Ein europäisches KI-Sprachmodell mit Zukunft
Auch Künstliche Intelligenz ist ein zentraler Treiber für die Digitalisierung und Effizienzsteigerung. Zuletzt haben wir gesehen, welche disruptive Innovationskraft von KI-Lösungen ausgeht. So greifen inzwischen über 200 Millionen Nutzer im Alltag regelmäßig auf das OpenAI-Modell ChatGPT zurück. Erste Vorstöße, wie das Projekt OpenGPT-X, zeigen, wie eine zukunftsfähige Implementierung mittels Open Source für die Industrie aussehen kann.
Ziel des vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) geförderten Projekts war es, gemeinsam mit Partnern aus Wirtschaft, Wissenschaft und Medien sowie den Fraunhofer-Instituten IAIS und IIS eine europäische Alternative zu den dominierenden US-amerikanischen KI-Modellen zu schaffen. Das Ergebnis mit dem Namen „Teuken-7B“ steht Unternehmen und Forschungseinrichtungen nun als Open-Source-Lösung zur Verfügung und ist darauf ausgelegt, Mehrsprachigkeit und Anwendungsvielfalt zu fördern.
Bei der Entwicklung wurde besonders auf europäische Werte, Datenschutzanforderungen und die Bedürfnisse der lokalen Wirtschaft geachtet. Das kommerziell einsetzbare Open-Source-Modell befähigt Akteure aus Forschung und Unternehmen innovative KI-Lösungen in Bereichen wie Mobilität, Finanzen und Medien zu entwickeln – und das unter Wahrung der Datensouveränität. Gleichzeitig bietet es eine Basis für das Training weiterer eigener Modelle. Mit dieser Initiative unterstreicht Europa seine Position als Treiber einer ethisch verantwortungsvollen und wettbewerbsfähigen Digitalisierung. Das Projekt läuft noch bis zum 31. März 2025 – bis dahin wird das Modell stetig evaluiert und optimiert.
Durch gemeinsames Handeln die deutsche Wirtschaft zukunftssicher machen
Das Jahr 2025 sollte als aktives Entwicklungsjahr genutzt werden. Open Source-Technologien und Projekte wie Factory-X oder OpenGPT-X zeigen, wie Vernetzung, Digitalisierung und gemeinsames Handeln die deutsche Wirtschaft zukunftssicher machen können.
Der Fraunhofer CCIT hat es sich zur Aufgabe gemacht, Unternehmen nicht nur als Berater, sondern als aktiver Partner auf ihrem Weg in die digitale und datensichere Zukunft zu begleiten. Unsere Vision ist eine vernetzte, resiliente und nachhaltige Wirtschaft, die mit Innovationskraft und Zusammenarbeit die Herausforderungen von morgen meistert.
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