So langsam scheint der Schiffbau die strukturelle Talsohle durchschritten zu haben. Das lässt zumindest der Entwicklungsverlauf vermuten, den Hauke Schlegel, Geschäftsführer des VDMA-Fachverbands Marine Equipment and Systems, skizzierte. Schlegel eröffnete den neunten Rittal Branchentag Schiff & See, der am 12. Juni in Hamburg stattfand, mit einem konjunkturellen Gesamtüberblick der globalen Marktsituation. Nach wie vor seien Europa und vor allem Deutschland im Bau von Kreuzfahrtschiffen dominierend, spielten aber bei Tankern sowie Container- und Stückgutschiffen kaum eine Rolle. Die Zulieferindustrie sei dagegen über alle Schiffsarten hinweg stark aufgestellt.
Mit Blick auf die neuen Möglichkeiten und Herausforderungen, die sich mit der zunehmenden Digitalisierung auf hoher See ergeben, müsse die Zulieferindustrie aber gerade in Deutschland enger zusammenstehen, erklärte Hauke Schlegel vor rund 80 Teilnehmern der Veranstaltung.
Datenbasierte Verfahren auf Vormarsch
Nach Ansicht des Keynote-Speakers Professor Carlos Jahn, Leiter des Fraunhofer Centers für Maritime Logistik und Dienstleistungen (CML), werden datenbasierte Verfahren künftig noch stärker die maritime Wirtschaft bestimmen. Als Beispiel nannte der Universitätsprofessor Verbesserungen der maritimen Ersatzteillogistik sowie effektivere Crew-Einsatzpläne mithilfe der Mathematik. Damit einher gehe eine bessere Vorsteuerung von Werftaufenthalten für Reparaturen und Wartungen. Mit datenbasierten Verfahren ließen sich zudem Prognosemodelle für technische Systeme entwickeln, die Vorhersagen über Anlagenzustände zuließen und damit zielgenaue Instandhaltungsplanungen ermöglichten. Einigkeit herrschte im Plenum, dass im Zuge der Maritim 4.0 zwar immer mehr Daten erfasst werden, „diese aber in mangelhafter Qualität vorliegen und für eine Analyse nicht nutzbar sind“. So drückte es exemplarisch Kai Fechner, Geschäftsführer von M.A.C, aus. Das Unternehmen ist spezialisiert auf Performance-Monitoring. Während an der einen Stelle darüber diskutiert werde, wie die Daten vom Schiff kommen, stelle er sich die Fragen, wo Datenlücken vorhanden seien, wie sich ein gemeinsamer Bestand realisieren ließe und wie korrekt die Informationen wirklich seien. „Das ist ein Kernthema, das noch nicht gelöst ist“, merkte Fechner in seinem Vortrag an.
Smart Maintenance und IoT
Einen neuen Weg, die Betriebssicherheit bei der Schaltschrank-Klimatisierung durch intelligente Datennutzung und Vernetzung zu verbessern, skizzierte Judith Kötzsch, Abteilungsleiterin Rittal Service International, in ihrem Vortrag über Smart Maintenance und die Rolle von IoT-Komponenten auf dem Weg zur intelligenten Instandhaltung. Der Schiffsgetriebebauer Reintjes installiert vor diesem Hintergrund bereits Sensorik, um Temperaturen, Drücke, Vibrationen und Drehzahlen zu messen. Das Ziel dabei ist es, Aussagen über die Verfassung eines Getriebes im Antriebssystem zu treffen. Auch Thomas Kruse, Manager Innovation & Technology bei Reintjes, vertritt die Auffassung, dass für eine zustandsorientierte Wartung Standards bei den Daten und den Kommunikationsschnittstellen notwendig sind.
Martin Schiefer von ABB referierte auf der Veranstaltung über digitale Servicedienstleistungen von der Betriebsüberwachung bis zur Flottenoptimierung. Für Systemrisikoanalysen müssen Informationen allerdings harmonisiert vorliegen. Guido Försterling, Vorstand von German Dry Docks (GDD) forderte hier, gemeinsam an sauber aufgestellten Prozessen zu arbeiten. Das Bündeln von Know-how berge „unheimliches Potenzial“. Es gelte, neue Ansätze in der Instandhaltung zu schaffen, dafür Systemgrenzen zu überwinden und vor allem Stillstandszeiten zu reduzieren. Fehlt es an Abstimmung, wartet der eine auf den anderen. Das Bekenntnis zu mehr Zusammenarbeit sowie die mit Spannung erwarteten, weiteren Entwicklungen in Richtung Digitalisierung zogen sich wie ein roter Faden durch den gesamten Branchentag. Und ein nächster Termin mit Rittal ist bereits fix: die SMM vom 4. bis 7. September im Hamburg. Dort stellt der Systemanbieter für Gehäuse- und Schaltschranktechnik auf der weltweit größten Schiffbaumesse in Halle B6 aus. Ich freue mich auf den nächsten fachlichen Austausch mit Ihnen“, sagte Wilfried Braun, Vertical Market Manager Maritime von Rittal.
Schiffbau
Zum Kerngeschäft deutscher Werften gehören Kreuzfahrtschiffe, Yachten, Marienschiffe und Forschungsschiffe, während die großen Frachter und Containerschiffe meist in Asien gebaut werden. Dazu kommen Offshore-Windparks und Offshore-Bohrinseln. Vibration, Salzwasser, Temperaturschwankungen – in wenigen Branchen sind die Anforderungen an Komponenten und Systeme so hoch wie hier.