Teilautonome Teleoperation mit taktilem Feedback
Ferngelenkter "Radpanzer" für sichere humanitäre Hilfe
Bei bewaffneten Konflikten kommen immer öfter auch Mitarbeiter von Hilfsorganisationen unter Beschuss. Ein teilautonom telegesteuertes Offroad-Fahrzeug soll humanitäre Hilfe künftig sicherer machen.
Der Tod von sieben Mitarbeitern der Hilfsorganisation World Central Kitchen (WCK) im Gaza-Streifen Anfang April hat es wieder einmal deutlich von Augen geführt. Helfer in Krisengebieten sind enormen Risiken ausgesetzt. Im Projekt AHEAD (Autonomous Humanitarian Emergency Aid Devices) versucht das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) mithilfe fortschrittlicher Technologien humanitäre Einsätze sicherer und zuverlässiger zu machen.
Bei einer AHEAD-Projektdemonstration am 25. Juni 2024 wurde ein im Rahmen des Projektes entwickelte SHERP-Geländefahrzeug durch unwegsames Terrain und einen See teilautonom ferngesteuert. Ziel ist es, mit den ferngesteuerten fahrerlosen Transportfahrzeugen schwer zugängliche Gebiete zu erschließen, die für Boote oder Straßenfahrzeuge zu unwegsam oder für Menschen zu gefährlich sind.
In Zusammenarbeit mit dem Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) und dem Bayerischen Roten Kreuz (BRK) spielte das AHEAD-Team zwei realitätsnahe Szenarien durch: eine Lieferung von Lebensmitteln, angelehnt an aktuelle Einsätze im Süd-Sudan, sowie ein Hilfs- und Rettungseinsatz bei einer Hochwasser-Situation, ähnlich wie im Ahrtal 2021.
Das Übungsgelände der Bundeswehr in Nordheim am Main bot dem Projektteam ideale Bedingungen – weitläufiges, unwegsames und dicht bewachsenes Terrain, einschließlich eines Sees mit Steilufer. Damit das SHERP-Fahrzeug seine Aufgaben erfüllen kann, arbeiten mehrere Betriebseinheiten zusammen. Ein globales Missionskontrollzentrum (GMOC) plant und überwacht die Remote-Truck-Mission, umgesetzt durch das Zentrum für satellitengestützte Kriseninformation (ZKI) des DLR-Earth Observation Center.
Am Einsatzort wird in einem mobilen Container das lokale Missionskontrollzentrum (LMOC) errichtet. Es ist mit dem GMOC verbunden und teleoperiert den Truck. Das Fahrzeug ist mit Sensoren und Stereokameras ausgestattet. Es übermittelt laufend seine Position und 360 Grad-Umgebungsdaten. So kann der oder die Steuernde im LMOC Gefahren wie schmale Passagen und unerwartete Hindernisse sicher umfahren.
„Die AHEAD-Demo zur Validierung unserer Technologien ist sehr komplex, da verschiedene Teams und technische Komponenten ineinandergreifen müssen. Wir sind sehr froh und stolz, nach vier Jahren Forschung das SHERP-Fahrzeug erfolgreich teleoperiert zu haben – durch unwegsames Gelände und erstmals im Wasser", fasst Gesamtprojektleiter Dr. Armin Wedler vom DLR-Institut für Robotik und Mechatronik zusammen.
Einer der Projektpartner bei der Entwicklung der SHERP-Fahrzeuge ist das Unternehmen Sensodrive, eine Ausgründung aus dem DLR, dessen Gründer Norbert Sporer an der Entwicklung der Drehmomentsensorik für die moderne Robotik maßgeblich beteiligt war. Sensodrive konzentriert sich bei SHERP auf den Einau einer zusätzlichen Box, die hinter dem Fahrersitz im Offroader angebracht wird. Von dort führen Bowdenzüge zu den Lenkhebeln sowie Kupplung und Gaspedal, um die Fernsteuerung in punkto Beschleunigen, Lenken und Bremsen des SHERP ATVs teleoperiert zu bewältigen.
Die Umrüstung des Fahrzeugs zur Landdrohne stellt im Detail eine anspruchsvolle Aufgabe dar. Die drehmoment-geregelten SensoJoint-Antriebe von Sensodrive sind das Geheimnis des Projekts. Der Fahrer der Landdrohne soll in seinem Telepräsenzraum, ausgerüstet mit dem gleichen „Arbeitsplatz" wie im ATV, das Gelände buchstäblich fühlen können. In der Fahrerkanzel vor Ort spürt der Fahrer– etwa über den mechanischen Widerstand in den Lenkhebeln – die Beschaffenheit des Weges und schlägt so einen sicheren Kurs ein. Die SensoJoint Technologie ermöglicht via Force-Feedback, dass der Fahrer in seiner Telepräsenzkabine das gleiche Erlebnis hat.