Roboter-Tipps für KMU und Handwerk
Die wichtigsten Gründe für einen Cobot in Ihrem Unternehmen
Die wichtigsten Argumente für Cobots in kleineren gewerblichen Unternehmen und Handwerksbetrieben! Im Beitrag erklären Roboter-Startups, Forschung und Hersteller von günstigen Leichtbauroboterarmen die Vorteile anschaulich am Beispiel von Anwendungen.
Universal Robots ist quasi der Shootingstar am Roboterhimmel. Erst 2005 gegründet, hat der dänische Hersteller bereits etwa 34.000 Roboter im Einsatz und sieht sich als weltweite Nummer 1 bei kollaborierenden Robotern (Cobots). Die Idee dreier Studenten der Universität Odense: Leichte Roboter, die sich einfach installieren und programmieren lassen. Die Großen der Roboterbranche mit ihren schweren und teuren Produkten, die meist auf die Automobilindustrie zielten, hatten es versäumt, wirklich benutzerfreundliche Varianten für leichtere Tätigkeiten zu entwickeln.
Helmut Schmid ist Geschäftsführer von Universal Robots in Deutschland und General Manager für Westeuropa: „Kollaborierende Roboter sind definitiv der Typ, der für KMUs und Handwerk am besten geeignet ist: Ihr Zusammenspiel aus einfacher Programmierung, schneller Integration, flexiblen Einsatzmöglichkeiten und einer auch für Kleinunternehmen realistischen Investitionssumme trifft genau die Bedarfe dieser Unternehmen.“ Dabei reichten die Anwendungsbereiche von Pick&Place- über Maschinenbestückungs- oder Montage-Prozesse bis hin zum Schweißen, Verpacken oder der Qualitätsprüfung.
Low-Cost-Roboter - sofort einsetzbar
Sehr intensiv mit der Robotik beschäftigt man sich bei einer ganzen Reihe von Fraunhofer-Instituten. Martin Hägele ist Experte für den Robotereinsatz in kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA). Auch er stellt fest, dass „immer mehr Roboterhersteller kostengünstige Komplettsysteme ‚ready to use‘ anbieten“.
So seien inzwischen kompakte, einfach bedienbare Schweißroboterzellen bereits in zahlreichen kleinen Metallverarbeitungsbetrieben zu finden. Und ihre Roboterkollegen für die Beschickung ermöglichten eine dritte, mannlose Schicht, um CNC-Maschinen besser zu nutzen.
Sein Kollege Dr.-Ing. Christian Henke, Abteilungsleiter Scientific Automation am Fraunhofer-Institut für Entwurfstechnik Mechatronik (IEM), nennt Vorteile kollaborativer Roboter etwa für Montage- und Fügeanwendungen. „Diese können verhältnismäßig einfach auf unterschiedliche Anwendungen adaptiert werden und erfordern meist keine aufwendigen festen Schutzeinhausungen.“
Am Bremer Institut für Produktion und Logistik (BIBA) beschäftigt sich Rafael Mortensen Ernits aus wissenschaftlicher Sicht mit Robotern. Er sieht eine ganz Reihe Aspekte, die für Robotern auch in kleineren Unternehmen sprechen. So könnten sie „bei monotonen, repetitiven Aufgaben unterstützen und zu einer besseren Ergonomie, beispielsweise bei der Montage schwerer Teile, beitragen“. In der Holzbearbeitung ließen sie sich für Tätigkeiten wie Lackieren oder das präzise Fräsen komplizierter Formen einsetzen – was nebenbei die Qualität verbessere. Noch ein Einsatzgebiet: „Die Manipulation empfindlicher Objekte oder gesundheitsgefährdender Materialien.“
Ganz nah dran an der Praxis ist Thomas Planer. Er leitet das Bildungszentrum Schweinfurt der Handwerkskammer Unterfranken und ist zuständig für das Projekt Robonet 4.0. Es untersucht zukunftsfähige Robotertechnologien im Montage- und Fertigungsbereich kleiner und mittlerer Handwerksbetriebe. Planer sieht ihre Stärken vor allem „bei assistierenden Arbeiten, wie dem Be- und Entstücken von Maschinen oder bei physiologisch schweren Arbeiten, beispielsweise dem Überkopf-Bohren“. Das sorge dann für die notwendige Akzeptanz bei den Mitarbeitern.
Die Roboterbranche sieht Thomas Planer in Zukunft zweigeteilt: „Nach unseren eigenen Erfahrungen aus dem Projekt Robonet 4.0 müssen wir feststellen, dass aktuell seitens der Global Player kein erkennbares Interesse daran besteht, Betriebe mit einem Bedarf der Losgröße 1 – und das wird die überwiegende Mehrheit der Handwerksbetriebe sein, die sich für die Investition in einen Roboter entscheiden – zu bedienen.“ Die Lücke schließen kleinere Neueinsteiger, die bereits passende Systeme und den notwendigen Support bereitstellen.
Kollaborierende Roboter unterstützen den Mensch
Das sehen allerdings die Großen der Branche etwas anders. Ein konkretes Beispiel beschreibt Jörg Reger, Local Business Line Manager Robotics bei ABB: So unterstützten ABB-Roboter der Reihe YuMi den niederländischen Hersteller von Werbeartikeln, Deonet, bei der Kleinteilmontage. Die Fertigung von USB-Sticks und -Karten erfolge automatisiert. „Der Roboter bearbeitet vielfältige Produktvarianten, die oft in Kleinmengen gefertigt werden; dabei ist jeweils ein Deonet-Mitarbeiter im sogenannten Buddy-System für fünf YuMi-Roboter zuständig.“ Der Mensch überwacht, stellt Material bereit und führt finale Qualitäts- und Funktionskontrollen durch. Ein wesentlicher Vorteil der Roboter: Sie böten KMUs Flexibilität und Skalierbarkeit für ihr Wachstum und die Effizienz, um im globalen Wettbewerb bestehen zu können.
Ebenfalls einer der Großen ist Fanuc. Für Nils Tersteegen, Marketingleiter in Deutschland, hängt der Einsatz von Robotern „in erster Linie von der Aufgabenstellung ab – nicht von der Betriebsgröße“. Beispiele seien Lichtbogenschweißen und das Be- und Entladen von Werkzeugmaschinen, die in mannlosen Schichten betrieben werden. So könnten auch Kleinstbetriebe durch eine einzelne automatisierte Anlage ihren Output deutlich erhöhen. Ein weiterer Aspekt: der Fachkräftemangel, der kleinen und mittelgroßen Unternehmen zunehmend Probleme bereite. „Dieser kann, zumindest teilweise, durch Automatisierung ausgeglichen werden“, ist Tersteegen überzeugt.
Bei Roboterhersteller Epson hat man auch den Sicherheitsaspekt im Auge. Der vermeintlich hohe Aufwand für einen sicheren Robotereinsatz könne sich sogar ins Gegenteil verkehren, wenn man es richtig macht. Wie, erklärt Volker Spanier, Head of Robotic Solutions in Deutschland: „Bei einem Hersteller von Metallteilen legt der Roboter Werkstücke in eine Stanze ein und erspart so kostspielige Sicherheitsauflagen, würde hier ein Mensch arbeiten.“
Klassische Roboter werden immer benutzerfreundlicher, weiß Sascha Liese. Er leitet den Geschäftsbereich Automation und Robotics beim japanischen Automatisierer Hirata, der in Deutschland mit eigener Niederlassung vertreten ist und unter anderem Scara-Roboter anbietet. „Die klassische Roboterprogrammierung wird immer mehr durch eine einfache Parametrierung ersetzt. Dies erleichtert den Einsatz von Robotern auch bei kleineren Unternehmen und Handwerksbetrieben ohne tiefgreifende Programmierfähigkeiten.“
Weitere Einsatzmöglichkeiten für Kollege Roboter sieht Alexander Barth. Der Sales Manager Europe Industrial Automation, Robotics bei Keba denkt an Applikationen in der Handhabungstechnik, bei denen ein Roboter rein handgeführt schwere Lasten manipuliert und positioniert oder nach einfachem „Teaching by Demonstration“ automatisch Handhabungsvorgänge auch für kleinste Losgröße durchführt. „Neben einer wesentlichen Verbesserung der Ergonomie können sich Fachkräfte auf die anspruchsvollen Arbeiten konzentrieren.“
Dürr Systems ist weltbekannt für seine Lackieranlagen. Dort beschäftigt man sich intensiv mit Lackierrobotern. Die Erfahrung zeige, dass sich Roboter „immer dann eigneten, wenn die Flexibilität in der Produktion und die Reproduzierbarkeit der Qualität erhöht sowie die Betriebskosten gesenkt werden sollen“, erklärt Alexander Carls, Manager Product Management bei Dürr Systems. Auch der Fachkräftemangel werde für Reparaturlackierunternehmen zum Problem, das Roboter kompensieren könnten. Noch sei der Programmieraufwand oft ein K.o.-Kriterium bei kleinen Stückzahlen. CAD-basierte Programmiersysteme „führen jedoch bereits heute zu einer deutlichen Beschleunigung des Programmiervorgangs“. Weitere Entwicklungen würden den manuellen Programmieraufwand zukünftig gegen Null gehen lassen.
Roboter-Baukästen machen vieles leichter
Ein Roboterarm allein kann zwar Bewegungen ausführen, aber noch nicht arbeiten. Er braucht eine Art Hand: Greifer und Spannsysteme sind die Spezialität von Schunk. Professor Markus Glück ist Geschäftsführer Forschung und Entwicklung. „Ein zusätzlicher Impuls geht von erschwinglichen Leichtbaurobotern aus, die seit rund zwei Jahren spürbar an Bedeutung gewinnen.“ Weshalb Schunk speziell für Leichtbauroboter von Universal Robots einen End-of-Arm-Baukasten entwickelt hat, hinter dem der Gedanke des „Plug& Work“ steht.
Jüngstes Highlight ist der Großhubgreifer EGL-C mit UR-Schnittstelle und Plugin (siehe auch Titelstory in dieser Ausgabe). Glück: „Der feldbusfähige Mechatronikgreifer setzt einen neuen Maßstab bei Kraft, Funktionalität und Echtzeitfähigkeit am UR. Mit einer Greifkraft von 450 Newton erweitert er die Einsatzmöglichkeiten der Kleinroboter im Bereich der automatisierten Maschinenbeladung sowie bei der Handhabung und Montage mittlerer Bauteilgewichte.“ Dank Plugin lasse er sich schnell und einfach in Betrieb nehmen, ohne dass der Nutzer bei Antriebsfunktionen wie Geschwindigkeit, Beschleunigung oder Ruck programmieren müsse.
Mit der Zukunft des Greifens beschäftigt man sich an der Universität des Saarlands. Am Zentrum für Mechatronik und Automatisierungstechnik (ZeMA) leitet Dr. Paul Motzki die Gruppen für Sensorik und Aktorik sowie SMA-Technologie. Er berichtet von Entwicklungen wie einem Vakuum-Sauggreifer auf Basis von Aktoren aus Formgedächtnislegierungen (FGL), die sich ohne energieintensive Druckluftsysteme betreiben lassen. „Die Greifer werden somit energieeffizient und können auch unter Reinraumbedingungen zum Einsatz kommen.“ Sie können sich unterschiedlichsten Bauteilgeometrien anpassen und so Endeffektor-Wechsel in der Produktion und Stillstände vermeiden. Das funktioniert so gut, dass FGL-Drahtaktoren sogar die Muskeln in Prothesen für die menschliche Hand ersetzen könnten. wk