
Mit einer zunehmenden Vernetzung von Maschinen steigen auch die Anforderungen an die IT-Infrastruktur. (Bild: Stock.Adobe.com - Mdragon)
Dass die industrielle Fertigung immer digitaler wird, steht außer Frage. Uneinigkeit herrscht jedoch darüber, wie weit die Digitalisierung in deutschen Industrieunternehmen bereits fortgeschritten ist: Einer Umfrage des Digitalverbandes Bitkom zufolge sehen sich 21 % der Unternehmen bei digitalen Innovationen weltweit vorne. Gleichzeitig sagen andere 21 % wiederum, sie ordnen die deutsche Industrie in diesem Kontext sogar bei den internationalen Nachzüglern ein.
Themenmonat Februar: IT-Infrastruktur für die Industrie

Industrielle Fertigung ohne eine ausgefeilte IT-Infrastruktur ist mittlerweile nahezu undenkbar. IT und OT brauchen leistungsfähige Vernetzung, Maschinen und Anlagen latenzfreie Rechner am Edge und KI-Modelle die nahezu unbegrenzte Power der Cloud.
Aus diesem Grund geht Automation NEXT im Rahmen eines Online-Themenmonats im Februar auf die unterschiedlichsten Aspekte des Themas "IT für die Industrie" ein:
Über den digitalen Status quo der Industrie hierzulande lässt sich auf jeden Fall streiten. Das ist auch nicht verwunderlich, schließlich ist die digitale Transformation kein Zustand, der irgendwann abgeschlossen ist. Vielmehr ist insbesondere die Entwicklung hin zur Industrie 4.0, also zu einer flexibilisierten und digitalisierten Industrie, die in der Lage ist, Individualprodukte zum Preis einer Massenware herzustellen, ein stetiger Prozess. Und für diesen müssen zahlreiche Grundlagen geschaffen werden.
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Dazu zählt natürlich eine geeignete IT-/OT-Infrastruktur. Im Gegensatz zu einem Unternehmen ohne Fertigung müssen bei einem Industrieunternehmen nämlich klassische IT-Netze und OT-Netzwerke optimal ineinandergreifen. Letztgenannte OT-Netzwerke, also Operational Technology Networks, wurden speziell für den Betrieb von industriellen Steuerungssystemen und Prozessen entwickelt. Sie verbinden und verwalten somit Geräte und Systeme, die für die Überwachung und Steuerung von Industrieanlagen verwendet werden.
Vorausschauende Planung ist von großer Bedeutung
Hinzu kommt, dass sich eine IT-/OT-Infrastruktur in einem Industrieunternehmen flexibel an neue Gegebenheiten in der Fertigung anpassen muss – genauso, wie sich auch die Möglichkeiten der Industrie 4.0 kontinuierlich fortentwickeln. Dementsprechend vorausschauend sollten Industrieunternehmen daher die Planung und Installation der IT-/OT-Infrastruktur angehen. Davon ist auch Christian Lehmann überzeugt. Er ist Director Engineering & Services beim IT-Systemhaus HCD Consulting GmbH und weiß als solcher genau, worauf es bei einer IT-/OT-Infrastruktur für die Transformation zur Industrie 4.0 ankommt.
Folgende fünf Aspekte sind laut Christian Lehmann für eine IT-4.0-Infrastruktur entscheidend:
- Die geschäftlichen Anforderungen vorab analysieren: Jedes Unternehmen hat individuelle Anforderungen an eine IT-/OT-Infrastruktur. Diese gilt es vorab genau zu analysieren. Denn nur so kann später eine zuverlässige und skalierbare Lösung geschaffen werden, die auch künftige Entwicklungen berücksichtigt. Darüber hinaus sind Faktoren wie Sicherheit, Interoperabilität und Kosteneffizienz essenziell, um Daten ausreichend zu schützen, Systeme nahtlos zu integrieren und wirtschaftlich zu arbeiten.
- Solide IT-Basis und digitale Kompetenzen im Team aufbauen: Für eine IT-4.0-Infrastruktur müssen Industrieunternehmen über eine solide IT-Basis sowie digitale Kompetenzen verfügen. Die Transformation hin zur Industrie 4.0 ist schließlich ein Prozess, der das gesamte Unternehmen – und somit auch alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – betrifft. Dementsprechend sollte auch das notwendige IT-Wissen in allen Abteilungen vermittelt und aufgebaut werden.
- Enge Vernetzung der IT mit OT: Für den Wandel hin zur Industrie 4.0 muss nicht selten die IT-Infrastruktur eines Industrieunternehmens eng mit der Produktion (Operational Technology) vernetzt sein. Denn nur so können Daten auch in Echtzeit verarbeitet und ausgewertet werden.
- Es braucht eine klare Daten- und Cybersecurity-Strategie: Generell spielen die Planung und Sicherstellung der Cybersecurity bei einer IT-/OT-Infrastruktur eine entscheidende Rolle – das ist auch außerhalb der Industrie der Fall. Bei Industrieunternehmen kommt jedoch zusätzlich noch hinzu, dass die zunehmende Vernetzung innerhalb der Fertigung neue Angriffsflächen schafft. Angesichts dessen benötigen Industrieunternehmen zum einen eine klare Cybersecurity-Strategie, die sowohl die OT- als auch die IT-Security umfasst.
- Fundierte Datenstrategie ist elementar: Darüber hinaus ist eine fundierte Datenstrategie elementar. Je nachdem, welche IoT- und Cloud-Technologien nämlich zum Einsatz kommen, können diese die Effizienz der Fertigungsprozesse entscheidend steigern. Auch ein klares Commitment seitens des Managements zur Transformation und eine langfristige Unternehmensstrategie sind essenziell. Schließlich ist der Wandel zur Industrie 4.0 mit der entsprechenden IT-/OT-Infrastruktur mit Investitionen und zahlreichen organisatorischen Veränderungen verbunden.
Einfluss von KI im Blick behalten
Künstliche Intelligenz (KI) beeinflusst die Ausgestaltung von IT-Infrastrukturen maßgeblich, indem sie hohe Anforderungen an Rechenleistung, Speicher und Datenmanagement stellt. Unternehmen müssen daher skalierbare Cloud- oder Edge-Computing-Lösungen implementieren, um solch große Datenmengen effizient verarbeiten und KI-Modelle in Echtzeit betreiben zu können. Zudem wird die IT-Infrastruktur zunehmend durch Automatisierung optimiert, da KI-basierte Tools Aufgaben wie Überwachung, Fehlererkennung und Ressourcenverwaltung übernehmen.
Nachgefragt...bei Christian Lehmann

Wie genau definieren sich OT-Netzwerke?
Christian Lehmann: Unter OT-Netzwerken versteht man Industrienetzwerke. Diese umfassen eine Vielzahl von Hardware- und Softwarelösungen, die in industriellen Prozessen wie der Fertigung, im Energie- und Versorgungssektor, in der Gebäudeverwaltung und in der Infrastrukturverwaltung zum Einsatz kommen.
Im Gegensatz zu IT-Netzwerken, die sich mit der Verwaltung von Daten und Informationen befassen, sind OT-Netzwerke für die direkte Steuerung von Maschinen und Anlagen verantwortlich. Diese Netze unterscheiden sich fundamental in puncto Ausfalltoleranz und den verwendeten Protokollen von klassischen IT-Netzwerken.
Oft folgen diese Netzwerke der Purdue-Referenzarchitektur.
Welche Rolle spielt dabei die OT-Security?
Lehmann: Da der Lifecycle von Sensoren und Aktoren (die sich in einem OT-Netz befinden) sehr lange sein kann und es dafür oft nur sehr wenig Software-Updates gibt, müssen solche Systeme in besonderem Maße vor Cyberangriffen geschützt werden. Ein erfolgreicher Cyberangriff auf beispielsweise ein Kraftwerk hätte potenziell große Folgen für öffentliche Sicherheit, den Betrieb und die Umwelt. Neben einer effizienten OT-Security-Lösung müssen auch die entsprechenden Prozesse in einem Industrie-Unternehmen etabliert sein, die sich um die Pflege solcher Systeme kümmern.
Wie lassen sich IT- und OT-Netze optimal miteinander verbinden?
Lehmann: Idealerweise sind IT- und OT-Netze nicht miteinander verbunden (air-gapped). Aber das ist oft nicht mehr zeitgemäß. Wenn man diese Netze für die Fernwartung und für den Cloudzugriff verbinden möchte, dann müssen entsprechende Sicherheitsmechanismen (Firewalls und Datendioden) implementiert und ständig gepflegt werden. Darüber hinaus müssen Lösungen zur Angriffserkennung implementiert werden, die die Datenströme ständig monitoren und auf Anomalien überprüfen. Bei einem erfolgreichen Cyberangriff müssen die Prozesse zur Informationspflicht entsprechend vorliegen und
bekannt sein.