Konstruktion from Hell

Satans Heimcomputer

Coleco
Ach, die 80er Jahre Werbung... Computer sind jetzt so einfach, dass ihn auch Frauen bedienen können. Das will uns diese Werbung sagen. Das Schlimme daran: Sie meinten das auch noch ernst.)

Fakten, Firmen, Fails und Fuck-Ups aus dem siebten Zirkel der Engineering-Hölle. Heute aus der Rubrik: Heimcomputer mit Killer-Applikation

Es gibt Produkte, die waren ihrer Zeit voraus. Dann gibt es Produkte, die waren ihrer Zeit hinterher. Und schließlich gibt es den Coleco Adam: ein Heimcomputer aus dem Jahr 1983, der so ziemlich alle Kategorien sprengte – und zwar mit einer Mischung aus Größenwahn, Naivität und konstruktivem Chaos, wie man sie selten in einem Gehäuse aus büro-grauem Plastik verpackt gesehen hat.

Coleco – eigentlich bekannt für Cabbage Patch Kids (ja, diese leicht gruseligen Stoffpuppen) und die durchaus erfolgreiche Spielekonsole Coleco Vision – wollte in den goldenen 80ern unbedingt auf den Heimcomputerzug aufspringen. Damals versprach jeder Toasterhersteller und seine Großmutter, die ‚Revolution des Heimcomputers‘ in die Wohn- und Jugendzimmer zu bringen. IBM hatte den PC, Apple seine Lisa (mit einem Kaufpreis, der auch als Hypothek geeignet war), Commodore den Brotkasten C64 und seine schier unermessliche Zahl an Sicherheitskopien. Und Coleco? Ja, Coleco brachte… Adam.

Ein Computer, der schon beim Einschalten Selbstmord begeht

Beginnen wir gleich mit dem wohl legendärsten ‚Feature‘: dem Einschalten. Wer seinen Adam in Betrieb nahm, musste damit rechnen, dass das System beim Hochfahren die im Laufwerk eingelegte Boot-Diskette löschte. Einfach so. Und nicht nur die eingelegten Disketten. Der ‚EMP‘ (kann man durchaus so nennen) löschte Datenträger neben dem Computer sogar durch die Transportboxen hindurch. Ein freundlicher kleiner Daten-Exorzismus, gleich beim Start. In der Welt von 1983, in der Backups so häufig waren wie Einhörner, war das eine Funktion, die man eigentlich nur als teuflische Innovation bezeichnen kann. Und das Beste? Coleco wusste, dass das passiert.

Und damit nicht genug: Das Netzteil des Adam war in den Drucker integriert. Kein Drucker, kein Strom. Wollte man den Computer also alleine aufstellen, hatte man plötzlich einen ziemlich teuren Briefbeschwerer auf dem Schreibtisch. Warum? Vermutlich, weil irgendjemand bei Coleco fand, dass ein 13 kg schwerer Drucker zum täglichen Lifestyle-Objekt der Zukunft werden sollte.

Groß gedacht, schlecht gemacht

Auf dem Papier klang der Adam wie ein Traum. Man bekam eine komplette ‚Family-Computer-System‘-Erfahrung: Konsole, Schreibmaschine, Textverarbeitung, Spielemaschine – alles in einem. Inklusive elektronischer Schreibmaschine mit Daisy-Wheel-Drucker. Coleco dachte wirklich, dass 1983 die Menschheit sehnsüchtig auf einen tackernden Typenrad-Drucker wartete, der im Wohnzimmer die Wände zittern ließ.

Die Spezifikationen waren ebenfalls ambitioniert: Ein Zilog-Z80A-Prozessor (wie auch im Schneider CPC, dem Sega Master System und Game Gear oder dem ZX Spectrum) mit 3,58MHz, 80-KB-RAM (davon 64KB für den Benutzer), ein ‚Digital-Data-Pack‘-Kassettensystem, das schneller sein sollte als Audiokassetten – in der Praxis aber so zuverlässig wie ein Regenschirm im Orkan. Und als Krönung: Kompatibilität mit dem legendären Coleco Vision, sodass man Spiele wie ‚Donkey Kong‘ auf dem ‚Produktivitätscomputer‘ zocken konnte. Ein bisschen Arbeit, ein bisschen Spaß – klingt fast nach Work-Life-Balance. Dafür gab es auch den Coleco Vision Controller in sexy büro-grau dazu.

Das Problem? Die Realität war eine andere. Die Kassettensysteme versagten regelmäßig, das Grundrauschen des Daisy-Wheel-Drucker übertönte den Fernseher, und die Software-Auswahl war so dünn, dass selbst die Kompatibilität zur Coleco Vision eher wie ein verzweifelter Rettungsanker wirkte.

Man könnte meinen, der Adam sei einfach nur ein technischer Reinfall gewesen. Aber nein, er war ein Paradebeispiel für eine Konstruktion aus der Hölle:

  • Datenvernichtungs-Feature: Schon erwähnt, aber noch mal – ein Computer, der beim Einschalten deine Disketten löscht.
  • Geräuschkulisse: Der Drucker klang wie zwei kopulierende Maschinengewehre, der gleichzeitig versuchte, Morsezeichen ins Weltall zu schicken. Familienidylle adé.
  • Plastik, überall Plastik: Das Gehäuse wirkte, als hätte man die Reste der Cabbage-Patch-Kids-Produktion eingeschmolzen und neu gegossen. Stabil war anders.
  • Thermische Experimente: Das System wurde gerne warm – ein Effekt, der vermutlich unbeabsichtigt zur Raumheizung beitragen sollte.
  • Preis-Leistungs-Schere: Mit 700 Dollar Einführungspreis (heute rund 2.000 Euro) war Adam kein Schnäppchen. Zum Vergleich: Für weit weniger Geld bekam man damals einen Commodore C64, einen Nadel-Drucker und noch genug Restbudget für ein paar Kassetten ‚Summer Games‘, so man denn vor hatte, Spiele zu kaufen.

Die Software – ein Drama in mehreren Akten

Coleco Adam
Der original Coleco Adam, aufgenommen im Computer History Museum, Kalifornien

Coleco lieferte den Adam mit einer Textverarbeitung namens ‚Smart Writer‘ aus.

Das Programm startete automatisch beim Einschalten, was praktisch schien, bis man merkte: Das war’s dann auch. Ohne Zusatzsoftware blieb der Adam ein glorifiziertes Schreibmaschinen-Upgrade.
Zwar gab es theoretisch weitere Anwendungen und Spiele – doch die meiste Energie der Entwickler ging in die Rettung des Systems selbst. Dummerweise mieden Programmierer den Adam wie der Teufel das Weihwasser, denn wer wollte schon für ein Gerät entwickeln, das ständig seine eigenen Datenträger frisst?

Coleco investierte Millionen in Werbespots, die Adam als ‚den Heimcomputer für die ganze Familie‘ priesen. In Hochglanzprospekten sah man strahlende Standard-Familien, die begeistert auf den grauen Kasten blickten. In der Realität blickten die Familien überwiegend entgeistert auf leere Bildschirme, nicht reagierende Laufwerke oder einen Drucker, der mehr Papierstaus produzierte als Ausdrucke.
Innerhalb weniger Monate kippte die Euphorie. Statt einer Erfolgsgeschichte schrieb Coleco einen Eintrag in die Chroniken des Scheiterns. Der Adam verkaufte sich weit schlechter als geplant, verursachte Rückrufaktionen, und die Entwicklungskosten trugen maßgeblich dazu bei, dass Coleco wenige Jahre später bankrottging.

Technikgeschichte zum an den Kopf langen

Heute ist der Adam ein fast vergessenes Kuriosum, ein glänzendes Beispiel für die Kategorie ‚Haben die Lack gesoffen? Und wieviel?‘. Er zeigt, wie gefährlich es ist, Innovation und Feature-Listen über Kundenerfahrung und Zuverlässigkeit zu stellen.
Und dennoch: Irgendwie hat der Adam auch etwas Liebenswertes. Er war ein wilder, chaotischer Versuch, den Heimcomputer neu zu definieren. Ein Produkt voller Ambitionen, die an der Realität so viel Überlebenschance hatten wie der berühmte Schneeball in der Hölle – ein tragikomisches Denkmal der 80er-Jahre-Techkultur.

Der Coleco Adam war weniger Heimcomputer als Heimkatastrophe. Ein Gerät, das beim Einschalten Daten löschte, beim Drucken das halbe Haus in Deckung gehen ließ und beim Spielen mehr Frust als Spaß bereitete.
Welcher andere Computer kann von sich behaupten, ein Feature gehabt zu haben, das man eigentlich nur von bösen Science-Fiction-KI kennt, die systematische Selbstzerstörung der eigenen Datenträger? Irgendwie erinnert mich das an die Szene von Robocop 2 als OCP die gescheiterten Robocops vorstellt.

Der Adam war, in all seiner Unzulänglichkeit, ein Pionier. Nicht im technischen Sinne, sondern im historischen: als warnendes Beispiel, was man nicht machen sollte.

Nämlich einschalten.

Bernhard Richter verantwortlicher Redakteur keNEXT

Der Autor Bernhard Richter ist verantwortlicher Redakteur für die keNEXT. Er beschreibt sich selbst als besserwisserischer olivgrün angehauchten Nerd-Metaller mit einem Hang zu allem Technischen, Faszinierendem, Absurden. Das ganze gepaart mit einem deftigen Schuss schwarzem Humor. Der studierte Magister Anglistik, Geschichte und Ethnologie hat mittlerweile schon einige Jahre (Fach-) Journalismus auf dem Buckel, kennt aber auch – dank Ausflug in die PR – die dunkle Seite der Macht.

Privat findet man ihn oft in Feld und Flur – aber auch auf dem Motorrad, in der heimischen Werkstatt Wolfsburger Altmetall restaurieren oder ganz banal (mit Katze auf dem Schoß) vorm Rechner, zocken.