Rechenzentren verbrauchen große Mengen an Energie. Messtechnik kann Einsparungen ermöglichen.

Rechenzentren verbrauchen große Mengen an Energie. Messtechnik kann Einsparungen ermöglichen. (Bild: Stock.Adobe.com - Michail)

Die Genossenschaft Datev beschreibt sich als IT-Community für Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwälte und deren Mandanten. Hinter dieser fast bescheidenen Selbstbeschreibung steht ein Unternehmen, in dem 8 870 Mitarbeitende 620 000 Kunden betreuen und damit einen Jahresumsatz von 1,44 Mrd. Euro erwirtschaften. Mit 23 Standorten in Deutschland sowie weiteren Repräsentanzen und Vertriebspartnern im europäischen Ausland gehört Datev zu den größten IT-Dienstleistern in Europa. Zentrales Anliegen ist die Digitalisierung kaufmännischer Prozesse in den Bereichen Rechnungswesen, Lohn und Personal sowie Steuern. Dafür betreibt Datev mehrere Rechenzentren. Diese Infrastruktur benötigt viel Energie – ein wichtiges Thema für das Unternehmen.

11 Trafos für die Stromversorgung

„Wir haben schon immer auf Energieeffizienz geachtet, aber jetzt müssen wir das nachweisen“, umreißt Andreas Moßburger die aktuellen Ziele. Zusammen mit seinem Kollegen Ralf Döderlein betreut er die elektrischen Anlagen am Stammsitz in Nürnberg. Dieser umfasst vier Bürostandorte und eigene Rechenzentren. Sogar eine eigene Druckerei samt Versand gehört dazu, denn zum Kundenservice gehört auch der Versand von Gehaltsabrechnungen oder Unterlagen für Steuerberater. Allein für die Stromversorgung dieses einen Standorts werden 11 Trafos benötigt.

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Bei der dort erforderlichen Messtechnik spielen Hard- und Software von Janitza eine entscheidende Rolle. Die ersten Geräte sind seit eineinhalb Jahrzehnten im Einsatz. Döderlein erinnert sich: „Wir wollten kompakte, busfähige Geräte, die man auch vom Arbeitsplatz aus ablesen kann. Im Jahr 2009 haben wir testweise einen Netzanalysator UMG 604 zusammen mit einem Energieanalysator UMG 103 eingesetzt. Die laufen immer noch. Beim 604er gibt es sogar noch regelmäßig Updates. So ein Gerät ist eine langfristige Investition.“

Kompakte Geräte für die Hutschiene

Bernd Mirsberger, der das Projekt seitens Janitza betreut, ergänzt: „Das Messgerät ist so auf dem gleichen Stand wie ein aktuelles Gerät. Intern gibt es natürlich Neuerungen bei der Hardware, aber funktional bietet das Gerät von 2009 die gleichen Möglichkeiten wie ein jetzt neu gekauftes.“

Der Auslöser damals war der Wunsch nach kompakten Geräten für die Hutschiene. Vom Wettbewerb waren damals nur Türeinbaugeräte erhältlich. Bei einer Einspeisung und größeren Abgängen ist dies auch weiterhin sinnvoll, da sie vor Ort einen raschen Überblick über den Zustand einer Anlage geben. Die Energiedatenerfassung sollte in diesem Fall aber eine direkte Schnittstelle ins System bieten. Döderlein führt einen weiteren Vorteil an: „Interessant war auch der integrierte Browser in den Mastergeräten. Damit kann man diese auch ohne Display gut ablesen. In den meisten Niederspannungsverteilern haben wir hierfür Touchpanels verbaut. Außerdem gewinnen wir so eine Schnittstelle zur Gebäudeleittechnik.“

Eine bewährte Kombination: der Netzanalysator UMG 604-PRO zusammen mit Energieanalysatoren des Typs UMG 103-CBM.
Eine bewährte Kombination: der Netzanalysator UMG 604-PRO zusammen mit Energieanalysatoren des Typs UMG 103-CBM. (Bild: Martin Witzsch)

Die offenen Schnittstellen waren mit ein entscheidender Grund für den Einsatz von Janitza. Andere Hersteller boten schon früher busfähige Systeme an, allerdings mit einem herstellerspezifischen Standard. Seit einigen Jahren werden deshalb in Neuanlagen von Datev nur noch Geräte von Janitza verbaut. Und im vergangenen Jahr wurde beschlossen, auch Bestandsgeräte auszutauschen. Nach Abschluss dieser Maßnahme werden dann rund 700 Geräte in den Nürnberger Standorten ihren Dienst tun. Moßburger erläutert: „Wir messen so gut wie jeden Abgang aus den Verteilungen; dazu die Einspeisungen und Trafos. Wir zeichnen lückenlos auf, wo unsere Energie hingeht.“ An kritischen Punkten überwachen die Messgeräte neben der Energie auch die Spannungsqualität. An den Abgängen der Trafos und der USV-Anlagen sind hierfür Netzanalysatoren vom Typ UMG 509-PRO und UMG 512-PRO eingebaut.

Energiemanagement nach ISO 50001

Im Rahmen einer konsequenten Nachhaltigkeitsstrategie wurde ein Energiemanagement nach ISO 50001 eingeführt. Hierfür nutzt Moßburger die Netzvisualisierungssoftware GridVis von Janitza. „Die Software bietet eine Übersicht über die Trafos und die USV-Anlagen mit Lastgang, Auslastung, Wirkungsgrad und Verlustleitung. Im Dashboard kann ich mir auch verschiedene Zeiträume ansehen“, beschreibt er die Möglichkeiten.

Auch Geräte anderer Hersteller lassen sich einbinden, solange sie nur eine offene Schnittstelle bieten. Im Rechenzentrum werden über diese Option sowohl die elektrische Leistung der IT als auch die Kältemengen erfasst. Die Verbindung erfolgt über BACnet in einen Multiprotokoll-Server und dann via OPC UA in die GridVis. Moßburger erklärt: „Unsere Aufgabe ist es, Leistung bereitzustellen, das heißt sowohl Strom als auch Kälte für die IT. Deshalb ist es für uns sehr wichtig zu wissen, wohin sich die Leistung im Rechenzentrum entwickelt. Wir dürfen nicht in Kollision mit der Haustechnik kommen. Dazu erhalten wir von der IT-Abteilung Prognosen, welchen Energieverbrauch sie erwarten. Diese gleichen wir immer wieder mit den Messwerten ab.“

Königsdisziplin Regressionsanalyse

Für ein sinnvolles Energiemanagement müssen die Hauptverbraucher, kurz SEU (Significant Energy Users), bekannt sein. Diese muss der Anwender selbst identifizieren. Anhand von definierten Kennzahlen, etwa dem Verbrauch vor und nach der Einführung einer Energieeffizienzmaßnahme, wird ermittelt, ob diese zum gewünschten Ergebnis geführt hat. Allerdings lassen sich die jährlichen Messwerte nicht direkt vergleichen. Vielmehr müssen sie normalisiert werden. So hängt der Energieverbrauch für Heizung und Kühlung unter anderem von den Außentemperaturen ab. Diese äußeren Einflüsse müssen herausgerechnet werden, um zum Beispiel den Wirkungsgrad einer Gebäudeisolierung zu beurteilen. Das Verfahren hierzu heißt Regressionsanalyse und ist seit neuestem Bestandteil der GridVis.

Bernd Mirsberger von Janitza (links) und Datev-Mitarbeiter Andreas Moßburger kontrollieren eine Unterverteilung.
Bernd Mirsberger von Janitza (links) und Datev-Mitarbeiter Andreas Moßburger kontrollieren eine Unterverteilung. (Bild: Martin Witzsch)

Moßburger beschreibt am Beispiel der Klimatisierung eines Gebäudes das Vorgehen. In diesem befinden sich neben einem Rechenzentrum und Büros auch das Druck- und Versandzentrum. Dort arbeiten neuartige Drucker, die eine bestimmte Feuchte des Papiers benötigen. Das erfordert Energie für die Klimatisierung. „Für die Regressionsanalyse benötige ich eine energetische Ausgangsbasis“, erläutert Moßburger. „Hierfür haben wir die Werte aus dem Jahr 2022 genommen. Dann muss ich Einflussfaktoren definieren. In unserem Fall sind dies die Grundlast sowie der jeweilige Energiebedarf von Entfeuchtungstagen, Arbeitstagen und Kühltagen. Diese Werte gebe ich in die Regressionsanalyse und erhalte eine näherungsweise Voraussage für den Lastgang und damit den Verbrauch für die Bedingungen, die ich vorgegeben habe. Dazu kann ich virtuelle Messgeräte einrichten.“

Dieser berechnete Wert entspricht dem Energieverbrauch, der ohne Verbesserungsmaßnahmen angefallen wäre. Vergleicht man ihn mit dem tatsächlichen Wert, lässt sich sowohl relativ als auch in absoluten Zahlen erkennen, wieviel Energie eine Maßnahme eingespart hat. Moßburger kann bereits Resultate nennen: Wir können in unserer Auswertung genau erkennen, wieviel Energie wir gespart haben, als wir im Sommer 2023 die Luftkonditionen angepasst haben. Die Werte nutzt neben uns auch die Produktion, beispielsweise für den Energieverbrauch pro Druckerzeugnis.“

 

Natürlich muss das Ergebnis hinsichtlich Genauigkeit und Plausibilität hinterfragt werden. Da im vorliegenden Fall mehrere Einflussfaktoren betrachtet werden, handelt es sich um eine multiple Regressionsanalyse. Bei dieser dient das Bestimmtheitsmaß R2 zum Abschätzen der Genauigkeit. Moßburger ist mit dem Resultat zufrieden: „R2 muss größer als 0,9 sein. Dann kann ich mit dem Modell, das ich entwickelt habe, gut arbeiten. Wir haben 0,97 erreicht, also eine Ungenauigkeit von 3%. Das ist schon sehr präzise.“ Zur Kontrolle dient auch noch der sogenannte p-Wert, der Signifikanzwert, mit dem sich die Plausibilität einer Regressionsanalyse bestimmen lässt. Ein Wert unter 0,5 bedeutet, dass der zugehörige Faktor einen signifikanten Einfluss auf den Energieverbrauch hat. Mit R2 und dem p-Wert erhält der Anwender also eine Rückmeldung, ob er die richtigen Einflussfaktoren gewählt hat. Moßburger hat damit inzwischen viel Erfahrung. Er rät: „Man muss mit den Einflussfaktoren spielen, Parameter verwerfen und andere einfügen. Dazu ist es wichtig, den Betreiber der Anlagen einzubeziehen. Der kennt seine Anlagen.“

Energiemanagement eröffnet Perspektiven

Die jüngste Version der GridVis-Software beherrscht auch die Regressionsanalyse.
Die jüngste Version der GridVis-Software beherrscht auch die Regressionsanalyse. (Bild: Martin Witzsch)

„Das Berichtswesen wird immer wichtiger. Dafür ist so ein System wie die GridVis unverzichtbar, gerade für Aufgaben wie die Regressionsanalyse“, resümiert Moßburger. „Am Ende muss ich zwar noch selbst interpretieren, ob eine Maßnahme sich im Energieverbrauch bemerkbar macht, aber ich kann vieles automatisieren. Das erleichtert meine Arbeit erheblich.“ Auch Mirsberger freut sich über das Engagement seines Kunden: „Bei der Regressionsanalyse mit der GridVis hat Datev eine Vorreiterrolle übernommen.“ Die neue Version der Software bietet aber weitere Möglichkeiten. So lassen sich mit dem aktuellen Editor Dashboards viel schneller erstellen, kopieren und anpassen. Moßburger spart damit viel Zeit: „Ich habe hier für jeden Standort ein Dashboard. Da sich diese stark ähneln, habe ich einfach eine Vorlage für die Verbrauchsübersicht erstellt. Die kann ich kopieren und muss nur noch die Messgeräte einbinden.“

Auch intern kann Moßburger die Ergebnisse nutzen. Bei Rechenzentren ist es besonders schwierig, die richtige Balance zwischen Ausfallsicherheit und Energieeffizienz zu finden. Um genügend Reserven zu haben, sind deshalb oft die Trafos nicht ausgelastet. Das Problem dabei ist: Je niedriger ein Trafo belastet ist, desto schlechter der Wirkungsgrad. Dazu Moßburger: „Wir müssen immer wieder Diskussionen führen, wie viel Reserve wirklich nötig ist. Es hilft uns bei der Überzeugungsarbeit, wenn wir die Verluste bei schwacher Auslastung visualisieren können.“ Mit der Messtechnik und der Netzvisualisierungssoftware von Janitza lassen sich selbst sehr komplexe Prozesse übersichtlich darstellen, mögliche Szenarien durchspielen und Daten so aufbereiten, dass sie die Entscheidungsfindung für Betrieb und Investitionen erleichtern.

Martin Witzsch,

Dipl.-Physiker und Freier Journalist

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