Interview mit Berenice Böhner und Philipp Nicolai, MKW
„Simulation fördert das Verständnis zwischen Abteilungen“
Mit MK|Ware hat der Sondermaschinenbauer MKW eine Softwarelösung geschaffen, die Maschinendaten erfasst – und zugleich weit über klassische ME-Systeme hinausgeht. Was MK|Ware besonders macht, erläutern Prokuristin Berenice Böhner und Senior Produktmanager Philipp Nicolai.
MKW ist ein Sondermaschinenbauer. Wie es kam es zu der Entwicklung von Software-Komponenten, die über die reine Maschinensteuerung hinausgehen?
Berenice Böhner: MKW ist in der Tat seit über 50 Jahren als Sondermaschinenbauer tätig. Wir haben uns darauf spezialisiert, maßgeschneiderte Maschinen nach Kundenwunsch zu entwickeln, sodass jede Maschine ein Unikat ist. Über die Jahre entstand der Bedarf, die in Produktionsprozessen anfallenden Daten nicht nur für uns, sondern auch für unsere Kunden zu erfassen, zu analysieren und nutzbar zu machen. Vor etwa 14 Jahren haben wir daher MK|Ware ins Leben gerufen, um genau diese Anforderungen zu erfüllen.
Es handelt sich also um ein ME-System? Oder ist das zu kurz gegriffen?
Philipp Nicolai: Ursprünglich war MK|Ware ein klassisches MES – also "MES made by MKW". Allerdings haben wir es in seine einzelnen Module zerlegt, sodass es flexibel für verschiedene Teilbereiche genutzt werden kann.
Wie funktioniert das genau?
Nicolai: Ein zentraler Bestandteil ist die Produktdatenerfassung. Besonders wichtig für uns ist das MK|Performance-Modul, da wir uns stark auf Maschinenprozesse fokussieren. Damit sind Prozesszeit- und Bottleneck-Analysen möglich, ebenso wie herstellerunabhängige Datenarchivierung. Beispielsweise kann die Tagschicht auf Fehler der Nachtschicht zugreifen, ohne dass manuelle Aufzeichnungen erforderlich sind.
Sie betonen sehr stark den Echtzeit-Aspekt. Ist Echtzeit nicht ohnehin eine Grundvoraussetzung für Produktionssteuerungssysteme? Oder gibt es hier Unterschiede?
Nicolai: Genau, hier muss man differenzieren. In klassischen ME-Systemen bedeutet Echtzeit oft nur, dass zum Beispiel nach zehn produzierten Teilen die entsprechende Menge erfasst wird. Wir gehen jedoch viel tiefer, in den Millisekundenbereich der SPS. Das ermöglicht uns, kleinste Verzögerungen zu identifizieren, etwa bei einer Taktzeit von 5,5 Sekunden herauszufinden, warum der Prozess stockt. Wir erfassen Laufzeiten von Hydraulik-Zylindern und erkennen beispielsweise, wenn ein Ventil langsam verölt und so schleichend die Effizienz sinkt.
Sind wir mit dieser Art der Datenerfassung nicht bereits im Bereich Predictive Maintenance?
Nicolai: Ja und nein. Datenbasiert ja, aber Predictive Maintenance scheitert oft daran, dass operative Veränderungen nicht automatisch erfasst werden – etwa wenn Instandhalter ein Aggregat austauschen oder sich das Produktdesign ändert. Das beeinflusst den Maschinenablauf, ist aber in den reinen Prozessdaten nicht ohne Weiteres sichtbar. Unsere Lösung unterstützt die Instandhaltung aber dabei, effizienter zu arbeiten, indem sie frühzeitig relevante Daten erhält.
Liegt Ihr Fokus also gar nicht mehr nur auf der Steuerung, sondern stärker auf der Optimierung von Produktionsprozessen?
Böhner: Genau. Durch die Datenanalysen erhalten sowohl die Werker als auch die Geschäftsführung Transparenz darüber, warum ein Prozess langsamer läuft und was optimiert werden kann. Die Optimierung ist also ein kontinuierlicher Prozess.
Was unterscheidet MK|Ware von anderen ME-Systemen?
Nicolai: Der entscheidende Vorteil ist unsere Maschinenlastigkeit. Wir sammeln nicht nur Produktionsdaten, sondern auch tiefgehende Prozessdaten, einschließlich detaillierter Ausschussanalysen. Statt nur die Anzahl der fehlerhaften Teile zu erfassen, analysieren wir auch die Ursachen, sodass gezielt Verbesserungen vorgenommen werden können.
Das ist das Killer-Feature unserer Lösung: Die Geschäftsführer schaffen deutlich mehr Output in der gleichen Zeit, wenn der Ausschuss minimiert wird…
Böhner: …und die Mitarbeiter an den Anlagen sind auch zufriedener. Sie haben endlich ein Tool an der Hand, mit dem sie belegen können, dass es nicht ihre Schuld ist, wenn der Ausschuss gerade hoch ist!
Lässt sich die Effizienzsteigerung durch MK|Ware quantifizieren?
Böhner: Ein Beispiel: Bei einem unserer Kunden konnten wir den Ausschuss von 4 % auf 0,5 % senken. Das führte nicht nur zu weniger Materialverschwendung, sondern auch zu höherer Produktivität, weil mehr verwertbare Teile in der gleichen Zeit produziert wurden.
Auf dem Automatisierungstreff 2025 präsentieren Sie Ihre Lösung mit einer "virtuellen Maschine" namens EMMA. Was genau kann EMMA?
Böhner: EMMA ist unsere ExaMple MAchine, die unsere Software zum Anfassen bietet. Sie simuliert eine echte Produktionsumgebung, inklusive SPS-Steuerung, Datenanalyse und OEE-Kennzahlen. Kunden nutzen unsere EMMA oft auch für interne Schulungen, damit alle Beteiligten – vom Instandhalter bis zur Geschäftsführung – die Prozesse und Zusammenhänge besser verstehen.
Welchen Mehrwert bietet diese Simulation für Unternehmen?
Nicolai: Sie fördert das Verständnis zwischen verschiedenen Abteilungen. Geschäftsführer sehen, welche Daten nötig sind, um OEE-Zahlen zu ermitteln. Instandhalter lernen, wie Störungen besser erfasst werden. Dadurch wird nicht nur die Software verstanden, sondern auch das Bewusstsein für Prozessoptimierung geschärft.
Ihre Lösung arbeitet nahezu in harter Echtzeit. Welche technischen Voraussetzungen sind dafür notwendig?
Nicolai: Im Grunde genommen braucht der Kunde nur eine Maschine – und uns. Wir haben eigene Kollektoren entwickelt, die direkt mit den herstellerspezifischen Protokollen der Maschinensteuerungen kommunizieren. Dadurch müssen keine zusätzlichen Komponenten in die Steuerung integriert werden.
Braucht man eine direkte Sensoranbindung?
Nicolai: Nein, wir greifen nicht direkt auf die Sensoren zu, sondern auf die vorhandene Maschinensteuerung. Falls eine Maschine keine SPS hat, können wir eine mit unserer MK Combox nachrüsten und die relevanten Daten erfassen.
Wie sieht es mit der Integration in andere Systeme aus?
Nicolai: Wir arbeiten mit einem flexiblen Schnittstellenkonzept. Wir folgen der VDI 5600 und haben das sogenannte MK Gateway entwickelt, das individuell an Kundensysteme angepasst wird. Dabei richten wir uns nach den Anforderungen des Kunden, statt ihn an eine starre Schnittstelle zu binden.
Gibt es Überlegungen, sich stärker in Richtung Industrial IoT zu bewegen?
Nicolai: Das tun wir mit unserem MK|Connect. Wir simulieren alle Maschinen eines Kunden als virtuelle SPS, sodass die Daten von anderen Systemen problemlos genutzt werden können. So treten wir als Middleware auf und ermöglichen eine flexible Nutzung der Signale.